Wednesday, October 07, 2015

EU – WOHIN FLIEHST DU?

Die Albtraum-Kriegssituation in Syrien bringt die Welt durcheinander. - Zeit für die EU mit Österreich und Wien, über ihre Identität nachzudenken.


ES SCHEINT, ALS FLIEHE DIE EU VOR IHRER NATÜRLICHEN, ETHNISCHEN IDENTITÄT DER DIVERSITÄT. DABEI WÄRE IHRE VERTIEFUNG DIE LÖSUNG ALLER PROBLEME. MIT KLAREN VERHÄLTNISREGELN VON EINHEIMISCHEN, EINWANDERERN UND FLÜCHTLINGEN. DAS WÄRE AUCH FÜR ÖSTERREICHS HÖHERENTWICKLUNG GUT. UND LÄNDER WIE SYRIEN HÄTTEN SO DIE CHANCE, SICH SELBST ZU MISSIONIEREN.


Ein Aspekt an der Flüchtlingskrise ist positiv: dass Fragen der Identität der EU und seiner Länder aufgeworfen werden. Die Fragen: Was sind wir? Wo gehen wir hin? Und nicht zu vergessen: Wo wollen wir hin? Wir - eingeschüchterte EU-Bürger – verharrten lange gleich einer Pattstellung in der Position der sprachlos Wartenden. Und wüssten viele von uns aus Erfahrung nicht, dass alles einmal besser war und leichter ging, blieben wir noch immer hinnehmend und stumm. Mit „uns“ sind die Österreicher, die Deutschen, die Franzosen, die Italiener, die Griechen, die Briten, ..., zusammengefasst, jene westlichen Industriestaaten gemeint, die einmal die Stärke Europas und Länder mit starkem Selbstbewusstsein und stolzer Kultur repräsentierten.


VERWERTETES BEWUSSTSEIN DER WIEDERGUTMACHUNG




Im Zeitalter der schwindenden christlichen Glaubensbekenntnisse begegnet uns aber auch das Helfersyndrom, und zwar im regelrechten Wettbewerbsverhalten um größere individuelle Güte, als gehe es um die Reinwaschung der persönlichen traumatischen Erbsünden. Es hat mit der „Umverteilung“ sogenannter „demokratischer Verhältnisse“ auf Osteuropa begonnen. Jene Länder, die wiederum zuerst einmal ihr eigenes nationales Selbstbewusstsein finden müssen, um überhaupt zu wissen, was Identität eines Staates beziehungsweise Diversität innerhalb der EU durch viele individuelle Staaten bedeuten kann. Ob allerdings diese optimale Vorstellung von einer Länderkonstellation, wo sich folglich alle Bürger selbst mögen und einander respektieren könnten, seitens EU-Regierung geteilt wird, ist kaum ersichtlich. Im Vordergrund steht die Expansion der Europäischen Union bezüglich ihrer Außengrenzen sowie das Streben nach wirtschaftlichen Beziehungen untereinander und: mit Drittländern. Am besten solche, deren autoritäre Herrscher man demontiert, um sich deren Land für die westliche Bewirtschaftung hindernisfrei unter den Nagel zu reißen. Das sorgt für das langfristige Wirtschaftswachstum Europas (bzw. der USA), für frisches Geld von außen nach innen. Für diese Strategie braucht es bekanntlich keine menschlichen Individuen mit Wünschen, Herkunftsbewusstsein und großen persönlichen Zielen, sondern nur den schnellen grenzüberschreitenden Zahlungsvorgang und Produktaustausch.


WIRTSCHAFTSFLÜCHTLINGE IN KRIEGSFLÜCHTLINGEN




Die Ausstrahlung der „wohlhabenden EU-Länder“ zieht Wirtschaftsflüchtlinge an, die nicht nur vor und neben den Kriegsflüchtlingen „mitreisen“, sondern auch in ihnen stecken. Im Klartext: Die Kriegsflüchtlinge sind beides. Ganz nach dem österreichischen Christina-Stürmer-Hit Nie Genug: „Ich kriege nie genug vom Leben. Ich kriege nie genug, da geht noch mehr. Ich will alles auf einmal, und nicht nur so halb, nicht nur warten, bis etwas passiert. Bist Du dabei,  ich will alles riskieren, nur gewinnen, nichts verlieren. Immer mehr, immer mehr.“ Denn sonst würden jene nicht alle ins „Gewinnerland“ Deutschland wollen, in jenes EU-Land mit dem höchsten BIP, der stärksten Wirtschaftskraft pro Jahr; jenes Land, das so tut, als wäre es auch die Erstinstanz aller Entscheidungen in der EU. Dieses BIP lässt sich allerdings nicht von allen Einwohnern herleiten, sondern nur von wenigen gut verdienenden „Köpfen“. Jene sind es höchstwahrscheinlich auch, die das – im Gegensatz zu anderen EU-Staaten (wie die verhältnismäßig pro Haushalt „vermögenderen“ Rettungskandidaten Zypern, Spanien, Griechenland!) - insgesamt geringe Vermögen des Landes besitzen. Was wiederum heißt, dass man hochqualifiziert und protegiert sein muss, um unter diese Köpfe zu gelangen. 


MASSENABSATZ STATT INDIVIDUELLE HOCHENTWICKLUNG




Für die meisten Einwohner Deutschlands gilt also eher die Textzeile aus Lass uns gehen von Revolverheld, haushoher Gewinner des Bundesvision-Songcontest 2014 und deshalb ein tatsächliches Seelenabbild der Deutschen: „... bin immer erreichbar und erreiche doch gar nichts. Ich halt es hier nicht mehr aus. Hinter Hamburg, Berlin und Köln, hören die Menschen auf, Fragen zu stellen. Lass uns gehen, lass uns gehen, lass uns gehen ... Wir träumen vom Sommer in Schweden“. Der permanente Leistungsdruck mit unbefriedigenden Sisyphus-Investitionen springt aus diesen Zeilen förmlich heraus. Unbefriedigend, weil sich Erfolg nur durch bewährten Massenabsatz zeigt und nicht mit Kriterien der Hochentwicklung, Besonderheit und Kreativität, wie sie etwa Universitäten lehren. Dasselbe gilt für Österreich, nur auf niedrigerem Durchschnittsniveau. Deshalb ist es Unsinn, mehr Bildung zu fordern, nötig wäre die Nutzung der vorhandenen Bildung in der realen Arbeits- und Produktionswelt. Das ist übrigens genau der Punkt, warum früher alles besser war und leichter ging: echte Leistung und große persönliche Einfühlung hatten noch ihren Wert und konnten auch verkauft werden. Heute bewähren sich nur Schablonen.


ABWÄRTSSCHUB DURCH FLÜCHTLINGE


Die Flüchtlinge mit der Hauptgruppe der Syrer wiederum interessiert das – zunächst noch - kaum. Sie stellen laut Nahost-Expertin Karin Kneissl den kompletten Gegensatz der Europa-Flüchtlinge der 80er Jahre dar, die kamen, „weil sie als Citoyens republikanisch denkende Menschen, frei von religiösen und ethnischen Zwängen sein wollten. Jene wollten Europäer werden mit einem gelebten Individualismus, sie wollten teilhaben an dem, was in Europa möglich ist“.  Sie spricht damit die Minderqualifizierung der meisten aktuellen Kriegsflüchtlinge an, wovon auch das Münchner Ifo Institut ausgeht, „sodass sie ohne Absenkung des Mindestlohns keine Chance auf bezahlte Arbeit haben werden“. Allerdings sind sie mit dem 80%-Anteil von jungen Männern zwischen 20 und 30 Jahren noch „zustutzbar“, sodass sich zumindest einige von ihnen in für Deutschland brauchbare Anforderungen einfügen lassen werden. In der Folge könnten jene dann auch die perfekten Mittelsmänner für die wirtschaftlichen Syrien-Kontakte in Friedenszeiten werden. Eine erste Konsequenz wird allerdings sein, dass noch mehr derzeitige (ost)deutsche (Mindest)-Lohnbezieher nach Österreich kommen - hierzulande jetzt schon die größte ausländische Bevölkerungsgruppe -, die in der Regel als Hofer-Kassier besser Kopfrechnen kann und freundlicher ist als so mancher gebrochen Deutsch sprechender, in Österreich geborener Immigranten-Nachkomme. Deutschland und Österreich können sich somit mit steigenden Arbeitslosenzahlen anfreunden sowie mit Verdrängung von Arbeitsplätzen und weiterer Verschlechterung bzw. Erschwerung der Sozialleistungen. Sollte es wiederum stimmen, dass insbesondere unter den Syrern auch einige Akademiker sind, da ja angeblich das dortige Bildungsniveau mit jenem von Österreich vergleichbar sei, träfe die Verdrängung auch in dieser Schicht zu. 


SCHULD AN DER KRIEGSGEWALT IN SYRIEN




Die Bildungsparallele macht allerdings stutzig, weil damit kein ausreichender Grund bestünde, warum ein Assad-Regime in kriegsfernen Zeiten so beklagenswert gewesen sein soll. Die Stimmung der Unzufriedenheit ist erst durch die Übergriffe des Arabischen Frühlings ab 2010 aufgepeitscht worden. Baschar al-Assad ist seit 15 Jahren Regierender des Landes und nicht erst seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011, wo sämtliche einander bekämpfenden Fraktionen äußerst brutal vorgehen. „Wir haben den Krieg nicht angefangen und die Art des Krieges nicht ausgesucht. Wir verteidigen uns so, wie es die Umstände und Taktik des Gegners, Terroristen mit hochentwickelten Waffen, erfordern. Wir müssen auf die gleiche Weise zurückschlagen“, rechtfertigt sich Assad gegenüber internationalen Menschenrechtlern. Assads Wunsch an den ersten alle Fraktionen „vermittelnden“ UN-Sondergesandten Kofi Annan war es, sich auf die Frage der Gewalt zu konzentrieren und die Terroristen aus der Türkei und Katar sowie den Geldfluss von außen zu stoppen, der das Feuer schüre. 


WO GIBT ES POLITISCHE REDEFREIHEIT?



Syrien war bis 2009 ein Land mit ganz persönlichem Charisma, uralter, ostromantischer Schönheit, traditioneller Poesie sowie einflussreicher, moderner und erlaubter Literatur – etwa über Zwangsverehelichung, Vergewaltigung der Ehefrau durch Clan-Karrieristen und folgende Untreue der Frau. Trotz der ausgelösten Kritik in der arabischen Welt wurde dieser Stoff in Syrien sogar verfilmt. Politische Themen bis hin zur Regime-Kritik durfte man hingegen nicht öffentlich aussprechen. Aber – offen gesagt – auch in Österreichs klassischen und breitenwirksamen Medien ist nur eine Berichterstattung geduldet, die entweder regierungskonform oder zumindest parteiengefestigt tendenziös ist. Politische Newcomer haben keine Chance. Und die besten Jobs und Förderungen gibt es auch nur mit Beziehungen zur führenden Partei. 


ASSADS ZÖGERLICHES REFORMVERHALTEN


Im Gegensatz zu Österreichs jüngerer Beschäftigungsentwicklung schaffte es Baschar al-Assad, die Arbeitslosenquote von 13,48% zu Beginn seiner Amtszeit 2000 auf 8,61% vor dem Bürgerkrieg zu senken, zudem ließ er westliche Liberalisierungstendenzen in der Wirtschaft zu, nachdem er schon vor seiner Regierungszeit als gebildeter und sanfter „Reformer“ mittels Antikorruptionskampagne vorsichtige Schritte unternommen hatte, um konstruktive Kritik innerhalb des Verwaltungsapparats möglich zu machen. Er lockerte die Zensur und den eisernen Griff der Geheimdienste. Unter Assads Vater verschwand man bei öffentlicher Regime-Kritik noch, Assad steckte Gegner "zumindest" ins Gefängnis, je nach Fall auch unter Folter-Anwendung. Für uns im Westen mag das unmenschlich sein, für viele Ost-Regierungen ist diese Form der "Rechtausübung" aber "Brauch". Andererseits: denkt man an die Foltermethoden der Amerikaner - wie Guantanamo oder früher die CIA-Kommunistenhatz -, dann muss man sich wundern, warum sich gerade diese Nation anmaßt, über die aktuellen, syrischen Geheimdienste zu richten und ihnen keine humane Entwicklung anerkennen zu wollen. „Was sind die Kriterien, was die Schnelligkeit von Reformen angeht? Keiner hat die“, meint Assad auf die Forderungen der Opposition in Syrien und des Westens, denen seine Zugeständnisse bezüglich politischen Mitspracherechts, weniger Vetternwirtschaft und mehr Freizügigkeit zu wenig weit gingen.



Sein zögerliches Vorgehen mag daran liegen, dass es selbst unter der Familie Assads Widersacher gibt, die die Macht an sich reißen wollen, wie 1999 etwa Baschars Onkel Rifa´at al-Assad. Lockerungen wie die Redefreiheit wurden schließlich wieder eingestellt, nachdem die Forderungen nach demokratischen Reformen unerwartete Ausmaße angenommen hatten. – Ähnliche Unmäßigkeit erfahren jetzt die Deutschen mit den Flüchtlingen, deren Sonderwünsche hinsichtlich Unterbringung und Verkostung immer exquisiter werden. Ähnliches sah man auch von den „Fliehenden“, die sich gegen die regulierenden Behörden der Durchreiseländer auflehnten. Baschar al-Assad fürchtete also um die Stabilität des Regimes und des Landes – so wie jetzt auch Europa um die eigene Stabilität fürchtet. Assad fürchtet sich jetzt auch wegen den USA und der syrischen Opposition, die nur nach seiner Absetzung für Übergangsregierungsgespräche bereit sein wollen.



„Der Präsident bedeutet die Souveränität des Landes und das Schicksal des syrischen Volkes“, ist Assad nicht zum Rücktritt ohne Bürger-Entscheidung bereit. Natürlich möchte er sich den Staatspräsidenten-Bonus bei der Wahl auch nicht nehmen lassen, der in der syrischen Bevölkerung eine große suggestive Bedeutung hat, weil eben Machdemonstration in dieser Gesellschaft existenziell wichtig ist. – Abgesehen davon ist aber ganz objektiv zu fragen: wer außer Assad wird die Einwohner mit ihrer alten Kultur vertreten, wenn der zu verhandelnde Dialog nur aus Proponenten des Westens, westlicher Wirtschaftsabsichten und vielleicht noch regionaler Nachbarn besteht? – Auch der unabhängige Friedensnobelpreisträger Kofi Annan war für die Einbeziehung Assads in die Übergangsregierung. Er trat 2012 als Vermittler nach nur fünf Monaten zurück, weil die USA (bis heute) nicht darauf einsteigen wollten. 


Assad selbst besuchte ein arabisch-französisches Gymnasium, absolvierte ein Medizinstudium bis zur Praxisausbildung in Damaskus und Augenarzt-Fortbildung in London.  - Diesen Beruf wählt niemand, der Leute per se umbringen, sondern der deren Lebensqualität verbessern und erleichtern will. Militär- und politische Ausbildung folgten erst als klar wurde, dass er statt seines Bruders regieren sollte: Ein Land, wo das Volk jenseits der politischen Aktivisten - Araber, Moslems, Kurden, Christen und Alawiten über Jahrzehnte ohne große Konflikte nebeneinander lebten. Das Sprechen über religiöse Zugehörigkeiten war ab 1980, nach Zusammenstößen zwischen der Sunniten-Opposition und dem Alawiten-Regime, zwar weitgehend tabuisiert. Das war aber wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit dieser Volksgruppen-Konstellation, die gemeinsame Identität auf einer anderen Ebene zu finden. 
 
Wer als Assad sollte besser wissen, wie viel an „Westen“ in seinem Land möglich ist, wo er doch selbst als westlich Geprägter in seinem evidenten Reformwillen immer wieder zurückrudern musste. Die Fehler, die er allerdings wirklich machte, sind, dass er die Gründe des Rückzugs nie erklärte und dass er im Allgemeinen zu wenig öffentliche Erklärungen abgibt. Es mag für ihn nicht ins Bild der Würde eines absoluten Machthabers passen, warum er anderen Rechenschaft schuldig sein soll. In der heutigen globalen Zeit, wo die Welt so klein erscheint, ist die "Erklärung" im Sinne von "Öffentlichkeitsarbeit" jedoch unerläßlich. Er mag denken, das sei ein Zugeständnis von Schwäche, es könnte seinen Anhängern nicht gefallen, sodass sie ihn nicht mehr Ernst nähmen, und er sich seitens Opposition angreifbar machte. Möglicherweise ist jedoch das syrische Volk mittlerweile schon demokratisch "weiter" entwickelt, sodass es diese Art von "Machtdemonstration" nicht mehr bräuchte. Vielleicht hat das der lange Krieg, das lange "Flüchten" durch die vielen Länder, ja bewirkt ...


SANFTER RELAUNCH ALS EINZIGE LÖSUNG



Andererseits ist es aber auch psychologisch erwiesen, dass sich autoritär sozialisierte Menschen – und das gilt ebenso für die strengreligiöse Erziehung - unter einem autoritären Leiter wohler und sicherer fühlen, während sie von einem Führer, der auf umsichtige Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen baut, kaum motiviert und befriedet werden können. Wahrscheinlich gilt also hier die Reformregel der Marktwirtschaft: jeder erfolgreiche Relaunch verträgt nur eine Erneuerung des Herkömmlichen um zehn Prozent. Eine Demokratie-Reform darf keinesfalls radikal geschehen, schon gar nicht unter fremdherrschaftlicher Führung. Hätte man  diese Regel befolgt – die ja nichts anderes bedeutet als Respekt vor den aktuell lebenden Menschen in ihrem Land -, wäre der gesamte Arabische Frühling bis in die Gegend Afrikas glücklicher verlaufen. In diese Richtung denkt Vladimir Putin, womit er größeres Gespür für die Lage und die Region beweist als andere „missionierende“ Mächte. 


... Man sollte die Leute daher einfach wählen lassen.

PSYCHOLOGISCHE KRIEGSFÜHRUNG DURCH MANIPULIERTE BILDER


Was ist nun aber mit dem Argument der Opposition, die offensichtlich – wie schon mit Christina Stürmer erwähnt – „alles und sofort haben will“, die ganze Illusion des Westens und seiner großen Möglichkeiten für den Einzelnen, die sie über das Internet vorgegaukelt bekommt. Paradoxerweise war es in Syrien der computertalentierte Assad, der für die technische Entwicklung des  Landes im Kommunikations- und Informationsbereich sorgte. Ein Grund mehr, den Reformwillen Assads anzuerkennen.



Dieses Knowhow machte sich vor allem die syrische Opposition, unterstützt von NGOs des Westens, zunutze. Sie gilt als Gewinnerin des virtuellen Kriegs im Internet und der elektronischen Netzwerke. Wer in der psychologischen Kriegsführung gewinnt, indem er die Bilder des Krieges beeinflusst, hat auch Einfluss auf politische Entscheidungen. Selbst wenn so gut wie jede Meldung über „das Massenmörder-Regime Assad“ falsch, manipuliert und übertrieben dargestellt ist. Langsam wachen aber auch westliche Medien auf und betonen bei der Berichterstattung die „Möglichkeit des Geschehens“. Dieselben Regime-Schauermärchen gibt es jetzt über die jüngsten Russen-Einsätze - wie grotesk! So große eindimensionale Fantasie fällt selbst gutgläubigen  Medienkonsumenten auf. Die Strategie mag höchstens noch wirken, wollen jene nicht zugeben, hereingefallen zu sein, wo sie doch nur für das Gute mitfiebern wollten.


EUROPA ÜBERNIMMT METHODE DER MEDIALEN ERPRESSUNG


Zu Beginn des Flüchtling-Ansturms in Ungarn, Österreich und Deutschland funktionierte die Methode der medialen Erpressung allerdings noch so gut, dass selbst betroffene EU-Länder versuchten, auf diese Weise politische Lösungen zu erzwingen. Schlichtes Beispiel: Der Schlepper-Kastenwagen mit den 71 toten Flüchtlingen, der auf der österreichischen Autobahn abgestellt wurde und sich die „Täter“ mit lächelndem Gesicht abführen ließen. Sie hatten nicht versucht zu fliehen oder das Auto unkenntlich zu machen, sondern konnten tags darauf zuhause in Ungarn abgeholt werden. In jenem Land, das die Toten zu diesem Zeitpunkt so gar nicht brauchen konnte, während sie Österreich sehr wohl brauchte, um in der EU nach einjähriger Quoten-Bittstellung bezüglich des Flüchtlingsproblems Gehör zu finden. Und sämtliche Medien spielten bei der Berichterstattung des Nicht-Nachfragens mit. Dann hört man auf einem Internet-Blog aus Syrien, dass ein Vater seine zwei dabei umgekommenen Söhne als Märtyrer preist und Europa für dieses Verbrechen zur Verantwortung ziehen will. Schwangere, Kinder, Söhne sind die Waffen der Fordernden und lassen sich als Druckmittel einsetzen. So weit, dass es bis zu EU-Milliarden-Zahlungen wie an die Türkei kommt. – An Länder, die nicht einmal in der EU sind. Und Geld, das wir direkt in eigene, höherentwickelte und nach innen und außen vermarktbare Wirtschafts- und Kulturprojekte stecken könnten, sodass wir nicht in diesem Ausmaß auf Wirtschaftsbeziehungen mit Drittländern angewiesen wären. 



Darauf das Argument der unerschütterlich guten Europäer: „Ja, aber nicht alle sind so. Die meisten Flüchtlinge wollen doch nur leben und arbeiten.“


EUROPAS GUT-MENSCHEN AUF KULTURVERZICHT


100.000 gesinnungsmäßig einschlägige Menschen auf einem frei zugänglichen Voices for Refugees-Konzert können nicht irren, wenn sie fordern „Welcome Refugees!“ und Tausenden von potentiell bis zu mehreren Millionen Syrern, Afghanen, Irakern, Kosovaren, Pakistanern und Nordafrikanern eine Unterkunft samt Taggeld zur Verfügung stellen wollen. – Wer das allerdings wie zulasten von wem und wovon bezahlen soll, und wer was mit deren Heimat beabsichtigt, das überlegen sie nicht. Vielleicht sind sie aber auch nur Opfer ihrer eigenen Resozialisierung, die sie über ihre Eltern und Großeltern eingetrichtert bekommen haben. Von der US-amerikanischen Nation, die selbst jede Geschichte negiert, weil ihre eigenen Bewohner einst ihre kontinentalen Geschichten ablegten, um uneingeschränkt dem Kapitalismus zu frönen. Die meisten Superreichen leben bekanntlich in den USA, und der kulturelle Wissensstand ist im Bevölkerungsschnitt äußerst gering. Hochkultur ist in den Staaten eine Randerscheinung. Der hauseigene Terrorismus breitet sich aus. Und EU-Europa gleicht den Staaten dabei immer mehr. 

Das kolportierte Kulturland Österreich wird in Sachen Lebensstil und Kunst immer facettenärmer. Vor zehn Jahren waren in Lifestyle-Magazinen noch freie philosophische und identitätsbezogene Gedanken möglich, heute geht es nur noch um ideologische Solidaritätsbekundungen im EU-Einheitsbrei. Nur unter diesem Motto findet Kunst und Kultur überhaupt statt. So auch das Voices-for-Refugees-Konzert, das ausnahmsweise eine echte Leistungsschau niveauvoller, moderner Pop-Musik war. Dass eine qualitativ hochwertige österreichische Band wie Bilderbuch heute entstehen kann, grenzt an ein Wunder. Denn die Förderung junger, individueller und stilsicherer Musiker scheitert ja sonst an der unterbewussten politischen Einvernahme und gezwungenen Konformität der ganzen österreichischen Musikszene.



DIE EINSAMKEIT HINTER DER SOLIDARITÄT


Schönheit wird heute in der Regel also zur Oberfläche degradiert. Und Fragen der integrierenden Solidarität verkommen in der oberflächlichen Schönheit. Bürgermeister Häupls einleitende Sätze in seiner Dankes-Anzeige an die Flüchtlingshelfer, „Solidarität und Menschlichkeit – Das sind in Wien keine leeren Worte. Zusammenhalt wird bei uns gelebt“, sehen im Wiener Alltag geradezu ironisch aus:

In der Regel ist man als Österreicher im öffentlichen Bereich in der Minderheit. Beginnt ein Österreicher von seiner kulturellen Tradition zu erzählen, wird ihm der Rücken zugekehrt. Im zwischenmenschlichen Bereich bilden sich die traditionsbedingten Klüngel unter jenen, die herkunftsmäßig einen Konnex herstellen können. Da spricht die Ukrainerin doch lieber mit der Russin. Und ist die Russin nicht anwesend, wird die Rumänin vorgezogen, auch weil sie mit ihr den Deutsch-Kurs besucht hat. Die Gespräche kreisen generell um Lebenserhalt und Pflichten, um Kindererziehung im integrativen Schulalltag. Allem anderen wird die Aufmerksamkeit entzogen. 



Es sei denn, der Österreicher fragt nach den kulturellen Eigenheiten der Menschen aus den anderen Ländern, da wird dann stolz, und fallweise mit Hinweis auf die angeblich korruptere Politik und industrielle Rückständigkeit in ihrer Heimat, berichtet. Dasselbe spielt sich in der Kunst ab: Geschätzt werden „heimatlose“ Künstler, die als Flüchtlinge und deren Nachfahren über ihre verlorenen und doppelten Identitäten klagen. Direkte Heimatliebe wird in der Kunst hingegen gar nicht und im Kulturbereich ausschließlich über die Folklore zelebriert. Für alles andere gibt es keinen „Markt“, weil man ihn trotz seines großen wirtschaftlichen Potentials nicht zulässt.

Ergibt sich zwischenmenschlich unter den vielen Menschen verschiedenster Herkunft durch die Vielbegegnung dann doch einmal ein wohlgesinntes Gespräch, erschöpft es sich in den kulturellen Unterschieden hinsichtlich der Sicht auf moralische und politische Themen sowie auf herkunftsmäßige Temperamente. Das gegenseitige Misstrauen bleibt trotz Respekts bestehen. So bleiben sachbezogene Differenzierungen auf der Strecke, weil es nie zu einer Vertiefung von Themen, Sichtweisen und Wissen kommen kann. Geschweige denn zu einem gemeinsamen Tun im Sinne von „Schaffen“. Jedem ist die Einsamkeit, die Entwurzelung, die Entfremdung von sich selbst, anzusehen. Die Höherentwicklung des Alltags ist auf Eis gelegt. 


VOM UNTERSCHLAGENEN "WO KOMME ICH HER" ZUM „IS“


Eltern österreichischer Herkunft müssen sich damit abfinden, dass ihr Kind mitunter nie oder nur vielleicht mit anderen österreichischen Kindern zusammen kommen wird. Konkret stimmt es tatsächlich, dass ein Wiener Kind bis zu seinem sechsten Lebensjahr noch nie einen Wiener Spielkameraden hatte. Verloren gehen so neben der Wiener Mentalität unterbewusste Gefühle der Zusammengehörigkeit und spontane, vertrauensvolle Momente, sodass das gemeinsame Spiel gleich auf einer höheren Ebene stattfinden kann. Die Annäherung wird viel mehr künstlich wie in einer psychologischen Als-ob-Spielszene von außen oder durch eine Autoritätsperson herbeigeführt. Es sei denn, die von überall herkommenden, in Österreich zusammen geworfenen Kinder finden ihren gemeinsamen Nenner ihres Identitätsbewusstseins woanders:  nämlich im deutschen Kinderfernsehen mit zugekauften amerikanischen Serien. Wenn unter Europa Deutschland verstanden wird, sind wir also auf dem besten Weg, deutsch-amerikanische Europäer zu werden. 

Sollte den Syrern diese Perspektive gefallen, dann also „herzlich willkommen“. Angeblich legt die syrische Kultur großen Wert auf Familie, Religion und das eigene Vorwärtskommen. Das scheint zwar der komplette Gegensatz zur gegenwärtigen Nivellierung aller Herkunft-Vielfalt zu sein; sie lässt sich aber sicher durch die Idee der „Einkaufsmöglichkeit bei Massenprodukt-Vielfalt“ ersetzen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass bei den Syrern früher oder später – wie bei jedem Menschen – Gedanken der Identität aufkommen. Wo komme ich her, wo gehe ich hin? Dann ist es nicht weit zu einer neuen Form von IS oder eben IS.


EINE WELTSTADT LEBT NUR MIT PERSONALISIERTER VIELFALT




Keine Frage, eine Weltstadt lebt von der Vielfalt der Menschenarten und der Inspiration des Fremden. Damit sie aber auch davon profitieren kann, sollten alle Bewohner wissen, woraus diese Vielfalt besteht. Die Kultur eines jeden Schulkindes gehört vor den Mitschülern besprochen. Am besten wäre statt Religion die Einführung des Unterrichtsfachs "Kultur“ mit atmosphärischen Bildern und Filmen über die Länder und deren Kunstentwicklung bis in die gegenwärtige Moderne. Sollte der Glaube die Errungenschaft eines Landes beeinflusst haben, könnte die Religion mitbesprochen werden. Eine auf Weiterentwicklung orientierte Gesellschaft darf nicht verabsäumen, ihre Mitmenschen – und nicht etwa einen Gott - für ihre Handlungen verantwortlich zu machen und muss ihnen in Aussicht stellen, dafür Wertschätzung erfahren zu können.


JEDEM EU-LAND SEINE KULTUR UND IDENTITÄT


Andererseits ist zur Wahrung der Vielfalt der EU-Länder und ihrer Kulturen auch deren Pflege nötig: indem man sie als Besonderheit hervor hebt. Es reicht nicht, die rechtsstaatlichen Eigenheiten zu unterrichten. Das Argument, in jedem Österreicher und Kulturmerkmal stecke ja bereits ein Migrantenschicksal, dient nur als Instrument der Erniedrigung und Unterwerfung. - Wer sich als Österreicher fühlt, erkennt den Österreicher auch im anderen: am Humor, am vertrauten Unterton der Sprache, an der Distanz, am Respekt; und selbstverständlich an der einverleibten Kultur- und Kunstgeschichte. Österreich ohne Österreich und Österreicher macht keinen Sinn, das entspräche im Gegenteil einem Rausverkauf.

Den Erhalt eines Landes, auf das man stolz ist, garantieren insofern mehr Einheimische als Einwanderer. Dasselbe wünschen sich auch die Einwanderer. Kein Pole möchte hier in den Einwanderertopf geworfen werden, er will Pole sein, hauptsächlich von Österreichern und deren Sprache umgeben, um letztlich der deutschen Sprache ebenso fähig zu sein wie seiner Muttersprache. Nur so ein Zugang ist in Wahrheit menschenfreundlich. Wo man niemanden unterordnet, sondern in seiner Gesamtheit und ohne Argwohn wahrnehmen kann.

Derzeit ist es so, dass sich ein Einwanderer gar nicht sicher ist, in welche Richtung er sich integrieren soll, weil die Einheimischen im Alltag kaum präsent sind. Nur in klar geregelten Verhältnissen kann es zu einer Höherentwicklung Europas, bestehend aus persönlichkeitsstarken, produktiven Individuen kommen. Die Idee von einer EU „frei von religiösen und ethnischen Zwängen“, die sich ja nur von der Idee der USA ableitet, gehört in Hinblick auf „frei von religiösen Zwängen, aber mit Stolz auf die eigene ethnische Herkunft“ korrigiert. Das sollten wir spätestens heute akzeptieren, um noch mehr Leid zu verhindern. Und um uns nicht in einem Polizeistaat über einem verwilderten Menschen-Urwald wieder zu finden. 



KEINE MISSION OHNE RESPEKT VOR DEM ANDERSSEIN


Derselbe Respekt gebührt schließlich Drittstaaten und ihren gewachsenen Kulturen und Regierungen, über die zu richten sich die EU im globalen Machtgefüge nicht anmaßen sollte. Wenn schon missionieren und gemeinsam wirtschaften, dann weniger egozentrisch und mit echter Akzeptanz fremder Lebensrealitäten.

Text: Elfi Oberhuber

Wednesday, May 14, 2014

"ZU CONCHITA WURSTS SIEG" oder "ES SOLLTE NUR NOCH EUROVISION CONTEST HEISSEN"

Conchita Wurst - sympathisch und wahrhaftig in ihrem Alter Ego - aber mit ihrem Song kein musikalischer Meilenstein.

Hier noch einmal eine Zusammenfassung des Votings beim Song Contest 2014 für Conchita Wurst, Österreich, und eine persönlichen Interpretation meinerseits:
 

Jury und Publikum in der Gesamtwertung für Conchita

Nur in fünf Ländern wählten sowohl Jury als auch Publikum Conchita auf den ersten Platz: Schweiz, Niederlande, Slowenien, Schweden und Finnland. - Die ersten beiden Länder sind bekannt für ihre Trans-Gender-freundliche Gesinnung. Schweden und Finnland arbeiten in Sachen Nato-Haltung und Ukraine-Reaktion in Bezug auf Russland zusammen - ihre Widerrede zum "No-Go von Homosexuellen" Putins ist ein subtiler Fingerzeig des Widerstands, ohne dabei Kriegerisches oder Brüche von Handelsbeziehungen zu provozieren. Slowenien hat sich als erstes der jugoslawischen Länder vom Kommunismus gelöst und gilt als EU-Vorreiter dieser Region. All diese hohen Bewertungen sind also primär (sozial)politischen Motiven zuzuordnen - selbst wenn die Gesangsperformance fehlerlos und das konventionelle Lied solide gemacht waren.

Jury ohne Publikum in der Gesamtwertung für Conchita

Von den Juries im Gegensatz zum Publikumsvoting haben Conchita Wurst Griechenland, Irland, Israel und Litauen an erste Stelle gewählt, wobei sie in Griechenland tatsächlich nur eine Person auf den ersten Rang (neben Rang 2, 3, 4, 5 der anderen vier Juroren) reihte - hier sind die Geschmäcker also so verschieden, dass selbst so eine hohe Gesamtwertung den ersten Platz ergibt. Dasselbe gilt für Irland. wo sie die Mehrheit eigentlich auf Platz 3 sah. In Israel wählten sie zwei Personen auf Platz 1, wobei Israel 1998 selbst mit der Drag Queen ("Dana International" mit dem Song "Diva") den Song Contest gewonnen und 2011 ein zweites Mal teilgenommen hat. Auch im baltischen Litauen sind es nur zwei von fünf Juroren, die für Conchita stimmten (das Publikum wählte sie auf Platz 5, was gesamt Platz 2 ergab, also 10 Punkte für Österreich).

Publikum ohne Jury in der Gesamtwertung für Conchita

Vom Publikum wählten Conchita im Gegensatz zur Jury an erste Stelle: Deutschland (Jury: 11. Platz), Malta (Jury: 9. Platz) und Portugal (Jury: 6. Platz). Hier könnten neben der ehrlichen und einwandfreien Darbietung der Sängerin die generelle Bevölkerungsprägung durch Trash-TV und der Wow-Effekt beim ersten Eindruck ausschlaggebend gewesen sein.

Conchita als Gesamtsiegerin ohne Publikum- und Jury-Erstreihung

Verblüffender Weise schaffte es Conchita Wurst nun aber auch an erste Stelle mit 12 Punkten, wenn weder Jury noch Publikum sie zur Siegerin kürten: in Italien (Jury: 3. Platz, Publikum: 2. Platz), Großbritannien und Belgien (jeweils Jury und Publikum: 3. Platz) sowie in Spanien (Jury und Publikum: 2. Platz) - lauter Länder mit hoher Musikkultur und dementsprechend differenzierten Vorlieben der Musikhörer. Leider wird so aber nie das qualitativ Außergewöhnliche Sieger, sondern nur der bessere Durchschnitt mit höchstem Durchschnittswert. Und gerade, weil das Niveau der Lieder heuer insgesamt recht hoch war, sodass es zu differenzierten Wertungen kommen musste, wurde das ausschlaggebend.
Auch die insgesamte Conchita-Zweitbewertung (was also allen etwas besser gefällt) mit zehn Punkten der Länder Frankreich, Georgien, Ungarn, Island, Litauen, Malta und Norwegen trug noch einmal zu dem scheinbar "eindeutigen" Ergebnis bei.

Ein Sechstel der Juroren für Conchita als Siegerin

Nun könnte man einwerfen: zählt man alle Juroren zusammen, die Conchita zur Nummer Eins kürten, kommt man mit insgesamt 33 von ca. 180 Personen (Georgien hatte keine Juroren) zum Schluß, dass deren Mehrheit doch die Wurst als Siegerin sahen - allerdings sind das nur cirka ein Sechstel aller Juroren. (25 waren für Schweden, 20 für Niederlande, 12 für Dänemark, 11 für Armenien, 9 für Rumänien, 8 für Rußland) Künstlerische Sieger, die es schaffen, extrem individuelle Hör-Vorlieben anzusprechen - denn um diese fragile Kraft geht es in der höchsten (Musik)kunst, wenn sie innovativ und/oder sensibel ist -, sollten demnach eher die sporadischen Siegernennungen genannt werden, wie Italien, Schweiz, Ukraine und Malta mit jeweils zwei Nennungen, sowie Spanien, Montenegro, Großbritannien, Weißrußland mit jeweils drei Nennungen, Malta mit vier, sowie Deutschland mit fünf Sieger-Beurteilungen, weiters Norwegen und Aserbaidschan mit jeweils sechs Siegerstimmen, sowie Finnland mit acht Sieger-Stimmen. Bei den jeweiligen Jurorenteams der Länder fällt aber auch immer wieder die Absprache untereinander bezüglich des Siegers auf, wenn etwa alle einhellig für denselben waren. Auch dieses Ergebnis ist also kein echtes Abbild, sondern unterliegt einer Strategie in Hinblick auf die Endauswertung.

Publikum sah Conchita vor Armenien

Mehr Glaubwürdigkeit hat an sich das reine Publikumsvoting, in dem Österreich mit acht Nennungen vor Armenien mit sechs und Niederlande mit fünf Siegernennungen gewonnen hat. Polen erhielt wie Rußland (!, die ausgebuhte Nation während des Konzerts) vier und Rumänien drei Nennungen. Einzelsieger wurden bemerkenswerter Weise die Ukraine, Montenegro, Finnland, Schweiz und Ungarn. Insgesamt gab es 35 Publikumsvotings (Albanien und San Marino hatten nur Jury-Votings), wodurch die Zahl "acht" wiederum nur ein Viertel bis Fünftel aller Zuseher ausmacht.

Es siegt der künstlerische Durchschnitt und der Polemik-Trend

Conclusio: das mit dem großen Sieg ist relativ, da eigentlich immer nur der höhere Durchschnitt gewinnen kann, geprägt durch die gegenwärtige Boulevard-politische  Lage. Den Conchita-Machern gebührt der Pokal für ihre punktgenaue Strategie. Der Begriff Eurovision Song Contest ist allerdings längst überholt, es sollte "Eurovision Contest" heißen.  e.o.

Sunday, April 26, 2009

ÖSTERREICHS FILMER UND MUSIKER IM ORF - ILLUSION ODER ZUKUNFT?

Adgar, am 5.3.2009: Die Original-Falco-Band spielt im Wiener Konzerthaus für die Werber der Printszene - die natürlich auch die Werber des ORF sind - ob wohl österreichische Kunst (Musik) künftig im ORF Platz findet? (Fotos © Elfi Oberhuber)



















Begeistert war das anwesende Medien-Publikum vor allem über die bravouröse Nachtflug-Falco-Interpretation des Sprech-Sängers Wolfgang Pampl ...





















... sowie über die Ja
zz-Version der Band von Hoch wie nie mit Vera Böhnisch.


NACH EINER PARLAMENTARISCHEN ENQUETE ZUM TRAURIGEN STAND DER MUSIKSZENE IM LAND DER MUSIK ÖSTERREICH IM JUNI 2008, WÄRE EINE BERÜCKSICHTIGUNG INNERHALB DER NEUEN RUNDFUNKGESETZ-DEBATTE WÜNSCHENSWERT
- STATTDESSEN WIRD NUR ÜBER PROPORZ UND GELD GEREDET. DABEI KÖNNTEN AUSGERECHNET HEIMISCHE KREATIVE FÜR GELD SORGEN - UND ZWAR VIA QUOTENSTEIGERUNG. WAS DER ORF BISHER ABER KAUM GLAUBEN WILL, OBWOHL ES DIE IN KRISENZEITEN ERFOLGREICHE WERBESZENE TUT, WIE EINE intimacy-art-EXKLUSIV-UMFRAGE BEWEIST.
VERGLEICHE MIT DEM AUSLAND UND ZUKUNFT
SSZENARIEN BEZÜGLICH DER MEDIALEN LANDSCHAFT GARANTIEREN ZUDEM, DASS DER LOKALE QUALITÄTSBEZUG IM GLOBALEN ZEITALTER IMMER WICHTIGER UND LUKRATIVER WIRD.
- EINE RUND-UM-BETRACHTUNG VON A
(der politschen Debatte) BIS Z (der Chance auf Verdienst im Internet)!


PRINTSZENE SCHMÜCKT SICH MIT ÖSTERREICHISCHER FALCO-BAND - DER ORF NICHT

Wie paradox: da kämpft die heimische Musikwirtschaft auf Biegen und Brechen mit den elektronischen Medien, insbesondere dem ORF, darum, gespielt zu werden, doch letztenendes sind es die Print-Medien, die die Österreicher spielen. - Am 5. März 2009 konnte das Who is Who der Werbebranche beim in acht Kategorien vom VÖZ (Verband Österreichischer Zeitungen) vergebenen Print-Oscar Adgar im Wiener Konzerthaus erleben, wie toll eine exklusive Original-Falco-Band (Thomas und Bernhard Rabitsch, Peter Paul Skrepek, Bertl Pistracher und Curt Cress) sein kann, wenn sie etwa mit einem genial-theatral interpretierenden Sprechgesänger wie Wolfgang Pampl in Nachtflug oder einer Jazz-artigen Version von Hoch wie nie mit Vera Böhnisch aufwartet. Das war ein ehrwürdiger Rahmen, wo der Werbepreis für die besten Anzeigen des Jahres umso besser zur Geltung kam, und inspirierender Anlaß die heimische Werbeszene nach ihrer Meinung von der "Verkäuflichkeit von heimischer Musik im Radio und Fernsehen" zu fragen. - Darüber, so wie über diese Musikdarbietung, staunte der anwesende Generalintendant des ORF, Alexander Wrabetz, wohl nicht schlecht, nachdem seine entsandten Verhandlungsmannen mit den heimischen Musikvertretern auf keinen grünen Nenner kommen, und der Stand von Österreichs Künstlern im ORF alles andere als rosig ist:

Nur 2,2 Prozent des fiktionalen Fernsehprogramms sind heimische Produktionen, nur 15,2 Prozent österreichische Komponisten spielt insgesamt der ORF, der öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreichs, der eigentlich einen gesetzlichen Kulturauftrag hätte. - Diese bescheidenen Werte bezüglich kreativer Wertschöpfung im eigenen Land, die Österreich als Schlußlicht im Europadurchschnitt auszeichnen, verwundern Fachleute. Denn sie machen weder kulturpolitisch, noch marktwirtschaftlich, noch nach Erfahrung einer bevorzugten Konsumentenakzeptanz Sinn. Schließlich gilt in der Kommunikationswissenschaft das Prinzip "lokale Nähe" als oberste Instanz der Zuschauer-Aufmerksamkeit und von medialer Themenauswahl. Erst danach kommen etwa "Prominenz", "politischer Konflikt" und "Aktualität". Dass der ORF dennoch, nach wie vor, - wenn auch in den letzten Jahren abfallend - Marktführer in der österreichischen TV- und Radio-Landschaft ist, mag an der Publikumstreue gegenüber dem Sender als Langzeitmonopolist bis 2001 liegen, nicht an seinem Inhalt, der sich in den letzten Jahren immer mehr an jenem privat-kommerzieller Konkurrenz orientiert, um jene quasi mit "ihren" Mitteln zu schlagen ...

Böhnisch und die anderen SängerInnen interessierten natürlich auch den ORF - allerdings nur als Seitenblicke-Event ...

... schon weil eines der Falco-Band-Mitglieder, Gitarrist Peter Paul Skrepek, als Musikgewerkschafter und Chef der größten Musikvereinigung Österreichs, Musikergilde, schon seit geraumer Zeit mit den ORF-Mannen um vermehrtes Vorkommen von Österreichs Musikern im ORF verhandelt.

Der ORF-Generalintendant Alexander Wrabetz scheint jedenfalls neben Omnimedia-Mediaplaner Paul Schauer über die heimischen Top-Musiker sehr angetan. - Vielleicht hat ihm Paul Schauer aber auch nur erklärt, wie gut sich jene in niveauvoll präsentiertem Journalismus-Rahmen im ORF verkaufen ließen! Weil dann auch die danach und davor platzierte österreichische Werbung effizienter wirken würde.


KAUM BEWUSSTSEIN FÜR HEIMISCHES KREATIVDILEMMA IN ORF-GESETZ-DISKUSSIONEN

Der ORF und die führende Politik scheinen das Faktum der "lokalen Qualität" im Konzept für ein neues Rundfunkgesetz kaum zu berücksichtigen, was auch direkte Verhandlungen mit der Musikwirtschaft zeigen: Darin will der ORF freiwillig, je nach Sender, nur zwischen 0,75 bis 2 Musiknummern mehr an "Österreich-Kreationen" pro Tag spielen. Der ORF denkt im Gegenteil an die Ausgliederung (Auflösung) des Radio-Symphonieorchesters (RSO), sowie an die Aufkündigung des Fernseh- und Filmabkommens. Und in der am 31. März 2009 stattgefundenen parlamentarischen Nationalratsdebatte zum Thema "ORF-Zukunft" streiften nur drei Redner den Punkt heimischer Wertschöpfung: Johannes Hahn, ÖVP, meinte: "Gebühren und Personen sollten nicht vor den Strategien und der Debatte mit der Kreativwirtschaft diskutiert werden". - Was tatsächlich aber geschieht. - Silvia Fuhrmann, ÖVP, reklamierte: "Der ORF kauft US-Serien auf der Jagd nach der werberelevanten Zielgruppe - der Jugend - ein, die schon längst auf andere Plattformen ausgewichen ist. Österreichische Kultur und Innovationen sollen Inhalt für den Programmauftrag zu Information, Kultur und Unterhaltung sein. Weder österreichische Filme, noch österreichische Musik werden im ORF (wenn überhaupt) - zu einer angemessen Zeit - gespielt." Und Dr. Peter Fichtenbauer, FPÖ, schloß seine Rede mit: "Ich plädiere für die Nichtabschaffung des RSO!".
Der ORF will indessen in seinem neuen Fernseh-Konzept bei "billigerer Produktion", - wie bisher, aber verstärkt - ORF 1 "klar, jung, urban, männlich, international" positionieren, und ORF 2 "österreichisch und älter". Diese Nicht-Änderung ruft wiederum entrüstete unabhängige Zeitungen und Proponenten über ein spektakuläres Manifest aufs Parkett: "Wir fordern, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag zwingend und im Detail festzulegen ist."




















Verstecken müßte der ORF Interpreten wie Andi Gabauer (am Bildschirm) jedenfalls nicht, der Falcos Egoist zum Besten gab - angeblich die "Hymne der Kreativbranche" ...















... oder Roman Gregory, der Helden von Heute sang. Die Mediaplaner beurteilen das Konzert als musikalisch Ö3- bis MTV-tauglich, nicht aber die Performance der Show ...




















... die für MTV, sprich internationale Sender, einen entsprechenden Stil haben sollte. - So nett Damen wie Valerie in Brillantine Brutal aussehen mögen. Für Österreich (den ORF) passe es aber allemal.




PARLAMEN
TARISCHE MUSIK-ENQUETE IM SOMMER 2008 & VERHANDLUNGEN MIT DEM ORF BIS MÄRZ 2009

Es sieht so aus, als würden die von allen Parteien befürworteten Beschlüsse vom 3. Juni 2008 bei der parlamentarische Enquete zum Thema "Zukunftsmusik" - wo neben der traurigen Ausbildungssituation der Musik in Österreich, deren derzeitige und Zukunftsentwicklung, sowie die Rolle des ORF dabei, diskutiert wurden - erneut unterlaufen. Versprochen wurde, dass sich der ORF mit den Vertretern der Musikindustrie auf eine freiwillige Selbstverpflichtung einigen, statt - wie in anderen Ländern Europas üblich - einer vorgeschriebenen Quote gehorchen wolle. Doch nun, in der aktuellen ORF-Rundfunkgesetz-Reformdebatte, ist nur Kosteneffizienz das Thema, egal, ob in personalwirtschaftlicher oder inhaltlicher Hinsicht. Dabei scheinen sich "Innovationen (von österreichischen Kreativen) des Programms" als "Kürzungen des bestehenden Programms" zu entpuppen. Wo also der europäische Durchschnitt der gespielten lokalen Musik (ansteigend!) bei 40 Prozent liegt (BBC und Finnland spielen gar 50%, Kroatien 56%), ringt sich der ORF über die verhandelnden Personen, Hörfunkdirektor Dr. Willy Mitsche und ORF-Pressesprecher Pius Strobl, gerade einmal ein Zugeständnis von 5% des bestehenden Anteils ab. Das wären je nach Sender, 0,75-2 Nummern von österreichischen Komponisten mehr pro Tag, oder in "echten" Prozentpunkten auf Ö3 statt wie bisher 5,49 ein Steigerung auf 5,76.
Dabei ermittelt die Europäische Kommission, die ihre Mitgliedstaaten per Unesco-Konvention verpflichtet, für kulturelle Vielfalt (= länderspezifische Eigenheit) zu sorgen, seit letztem Jahr gegen Österreich - Österreich hat diese Konvention im Beisein von Österreichs Musikgewerkschaft ratifiziert und sich damit selbst verpflichtet: Danach widerspricht der ORF dem EU-Recht auf freien Wettbewerb, und ist er möglicherweise mit Hörer- und Sehergebühren bezüglich Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags "überfinanziert". Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und Geldstrafen sind zu erwarten, unternimmt der ORF nicht entscheidende "inhaltliche" Umstrukturierungsmaßnahmen. In Wahrheit geht es dabei um eine Wertschöpfungskette großer Dimension, die von Österreichs Kreativen (in den letzten Jahren hat Österreich 15-20 Mrd. Euro verloren!) bis zum Musikmarkt Europas reicht und sich so gegen globale (amerikanische) Massenüberflutung schützen kann. In diesem Sinne ist etwa die Geschäftsstrategie vom deutschen Bertelsmann-Verlag zu verstehen, sich Mitte 2008 von seinen 50%-Anteilen an Sony BMG, dem zweitgrößten Musik-Unternehmen der Welt, zu verabschieden, und über BMG (Bertelsmann Music Group) nur noch die Vermarktungsrechte von 200 vor allem europäischen Künstlern zu behalten. Die Klage eines Stephan Dorfmeister vom VTMÖ (Verband der unabhängigen Tonträgerproduzenten Österreichs), "der Druck, international zu produzieren ist zu hoch! Das war nicht immer so!", könnte sich auf diese Weise ändern - insofern auch der Nach-wie-vor-Marktanteil-Platzhirsch ORF qualitativ hochwertige, unterhaltende, heimische Musik in Umlauf bringt. Die über die Plattform SOS-Musikland vereinten Musikvertreter von Pop bis Klassik fordern jedenfalls vom ORF laut Peter Paul Skrepek von der Musikergilde und Musikergewerkschaft die:
- kurzfristige Erhöhung des heimischen Musikanteils um fünf Prozentpunkte, nicht fünf Prozent;
- die mittelfristige Erhöhung des Interpretenanteils bis zum Jahr 2011 von derzeit 23 auf mindestens 40 Prozent (entspricht einer Erhöhung des AKM-Wertes von derzeit 15,2 auf 26,7%);
- die Vereinbarung einer verbindlichen Musikcharta Österreich mit dem Ziel, den Musikanteil aus Österreich in allen Programmen der ORF Radios langfristig auf den europäischen Durchschnittswert zu erhöhen;
- Abspielverpflichtung zwischen 6 und 22 Uhr;
- dass die Hälfte der gesendeten Musik aus Neuheiten bestehen muss;
- senderadäquate Mitwirkung aller Radioprogramme.
Kommilitone Hannes Eder von Universal Music Austria beruft sich wie Skrepek nach wie vor auf das Vorbild "Schweizer Musik-Charta", die vor fünf Jahren (2004) eingeführt wurde und heute von Erfolg gekrönt ist: der mit Ö3 vergleichbare Radiosender DRS3 steigerte den Schweizer-Musikanteil von 11,3 auf 17,7 Prozent, andere Sender machten Sprünge um 11,4 oder 28 Prozent Kompositionen mehr! - Und das angeblich zum Wohlwollen aller Beteiligten (mit Marktanteilssteigerungen der Sender: DRS 3 mauserte sich 2006 auf einen 13-Prozent-Rekordwert, 2007 gesteigert auf 14 Prozent und schließlich 15 Prozent 2008, was in Ist-Zahlen täglich 25 Prozent oder rund 1,2 Millionen Hörern in der Deutschschweiz entspricht.)

Dennoch versteckt der ORF Österreichs Musiker: hinter Amateur-Casting-Shows und dergleichen. Im Gesetzesentwurf des neuen ORF-Rundfunkgesetzes wird Österreichs Kreativszene jedenfalls mehr reduziert als vermehrt. Dabei gab Hörfunkdirektor Willy Mitsche im Juni 2008 während der parlamentarischen Enquete sein Versprechen, sich "freiwillig" für eine höhere Quote der österreichischen Urheber und Interpreten im ORF einzusetzen - obwohl er (im Foto rechts neben Hannes Eder) schon dort via Trailer - wie später bei den Verhandlungen - behauptete, der Quotendurchschnitt an Österreichern liege ohnehin gut bzw. im europäischen Mittelfeld. ...

Diese glatte Lüge quittierten Leute wie Musikproduzent Markus Spiegel und Labelbesitzer Walter Gröbchen mit prompten Buhs aus den Zuschauergalerien ...

... und entrüsteten die Mitstreiter Falco-Bandleader Thomas Rabitsch und Peter Paul Skrepek (3. Reihe v. oben), was Zweiterer dann auch lautstark und makaber umgreifend kundtat, mit dem Mahnruf: sich diesmal (nach 15 Jahren Hinhalten und Branchenlobbying) nicht mehr mit bloßen Worten vertrösten zu lassen ...


MEDIAPLANER- UND WERBER-TREND: DIE ZIELGRUPPE FOLGT DER IDEE, NICHT UMGEKEHRT - EIN TIPP FÜR DEN ORF?

Ein wesentlicher Aspekt zum richtigen Umgang mit dem Thema Österreich-Produktionen ergibt sich aus der Beziehung des ORF zur Werbewirtschaft. Denn bis zur Hälfte ist der ORF durch Werbung finanziert. Dabei scheint er sich aus marktwirtschaftlichen Überlegungen nicht zu trauen, seine derzeitige inhaltliche Positionierung - im strikt-steril-vereinheitlichten Formatstil - qualitativ und wesentlich zu ändern (zu verbessern). Verblüffenderweise bestätigt jene Berufsgruppe diese Angst aber kaum, selbst wenn der finanziell marode ORF - nicht nur wegen der Wirtschaftskrise - mit 85% ausgebuchten Werbezeiten 2008 und mit 79% verstärkt im ersten Quartal 2009 erhebliche Einbußen an Werbeeinnahmen hinnehmen mußte. Tendenz weiter fallend. - Die echte Meinung von der Berufsgruppe "Werbewirtschaft" ist insofern interessant, weil der ORF jene stets als Grund und Rechtfertigung seiner Nichtberücksichtigung heimischer Filme und Musik im Programm nennt. Mit Sätzen wie: "Wenn wir österreichische Musik und österreichische Filme spielen, bucht die Werbewirtschaft unsere Werbezeiten nicht, bzw., dann kommt uns die werbetreibende Wirtschaft als Geldgeber abhanden, weil wir an Quote verlieren." - Das, obwohl die Parameter "lokale Eigenproduktion" für die prinzipielle Affinität des lokalen Massenpublikums garantiert, und obwohl die Quoten - wie anhand der Schweiz beschrieben - anheben würden, sobald Kreativproduktionen von internationaler Qualität mit erkennbarem, heimischem Element in einem entsprechend prominent aufgezogenen, journalistischen Rahmen eingebunden würden. Diese Ausrichtung ist in der Werbewirtschaft seit jeher das begehrteste Werbefeld, und nicht etwa, wie angenommen, das austauschbare, internationale Massenprogramm.

Daher ist das Ergebnis folgender Umfrage unter jenen Mediaplanern und Werbern wiederum schlüssig, die 2008 - im Jahr der Wirtschaftskrise und des Medienumbruchs - ihr Geschäftsjahr am besten und ansteigend abgeschlossen haben: Auf eine qualitative Umfrage mit Schwerpunkt "Verkäuflichkeit von heimischer Musik im ORF" antworteten 45% der Leiter der Billing-stärksten Mediaagenturen, sowie die vom Branchenblatt Bestseller als Newcomer-Werbeagentur des Jahres ausgezeichnete "gantnerundenzi, österreichs erste kontakterlose werbeagentur" - sie wurde exemplarisch wegen einer offensichtlich strategisch-erfolgreichen Trendumkehr (selbst in der Werbeszene) ausgewählt. Denn sie stellt in Folge neuen Medien-Konsumverhaltens die Idee (Kreativität) vor Impact und Reichweite, um beides umso gezielter zu erreichen. Zitat von CD-Geschäftsführer Daniel Gantner: "Die Zielgruppe folgt den Ideen, nicht umgekehrt." Aber auch Paul Schauer von Omnimedia sagt: "Die Nachfrage folgt dem Angebot. Auch im Medienbereich. Das läßt sich statistisch sehr leicht belegen." - Das könnte also ein Pendant für ein neues ORF-Programm-Argument sein, unterhaltende bzw. unterhaltend lebensnah aufbereitete Kunst und Kultur (die Idee) in die Position des Alltagkonsums zu heben und nicht etwa in ein trockenes Spartenkanal-Getto abzuschieben (was ebenfalls schon angedacht wird). Denn wie die Erfahrung in Ländern wie Frankreich, Italien, Großbritannien zeigt, wo der heimische Anteil überdurchschnittlich hoch ist, gewinnen deren Filme und deren Musik trotz und wegen ihres lokalspezifischen Colorits immer mehr an internationaler Qualität, sodass auch das Ausland danach fragt.

... Gekommen ist es nach sieben Verhandlungs-Monaten jedoch wie gehabt: der ORF gesteht nur 0,75 - 2 österreichische Eigenkompositionen mehr pro Tag zu, sodass Skrepek im Rahmen einer Pressekonferenz der Musikwirtschaft-Dachinitiative SOS-Musikland resümiert, "danke für die Garantie, nichts zu tun." Mit dem versprochenen Rückhalt aller Parteien spekuliert er nun auf eine Festlegung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im neuen Rundfunkgesetz ...

..."Das ist die letzte Lösung, die uns bleibt, wenn die freiwillige Erhöhung nicht kommt. Denn tatsächlich liegt das Musikland Österreich im lokalen Musikanteil-Ranking hinter Neuseeland und Venezuela. Wir benötigen eine Charta der österreichischen Musik nach Schweizer Vorbild!", verlangt Hannes Eder.

Skrepek, Eder und Klassische-Komponisten-Vertreter Prof. Klaus Ager neben Stephan Dorfmeister, der vorrechnet, um wieviele Milliarden Euro die Wertschöpfung der Musikwirtschaft für Österreich höher wäre, wenn man sie in den Medien spielen würde, appellieren auf die Klugheit der Entscheidungsträger - nach all den Jahren heimische-Musikwirtschaft-Versäumnis und -Abschwung. Dass das Vorhaben für alle Beteiligten lukrativ wäre, glauben auch die erfolgreichsten Trendsetter der heimischen Werbewirtschaft, wie eine Umfrage von intimacy: art beweist. - Und auf die Werber ist der ORF auch künftig angewiesen.


ÖSTERREICHS MUSIK PASST ZU Ö3

Alle befragten Mediaagentur-Leiter waren prinzipiell der Meinung, dass österreichische Musik im Niveau einer einleitend erwähnten Original-Falco-Band mit heimischen Interpreten (die einige von ihnen live gehört hatten) auf alle Fälle mit der auf Ö3 gespielten Mainstream-Musik mithalten könnte, wobei der überwiegende Teil bedauerte, dass nicht mehr davon gespielt würde. Ob diese Musik auch MTV-tauglich wäre, darüber machten sich Zweifel breit - nicht wegen musikalischen Aspekten, sondern weil dafür "die Aufbereitung (die Show) auf einem internationalen Standard sein müßte". - "Und das konnten sich bisher halt nur wenige österreichische Künstler leisten", meint etwa Maurizio Berlini von ZenithOptimedia, jener Agentur, die es unter seiner Geschäftsführung auf Anhieb auf Platz 9 des Billing-Rankings (+22% Schaltvolumen-Steigerung) geschafft hat. Dass diese Art von Musik dem österreichischen Fernseh- und Radiopublikum generell gefallen könnte, bejahten wiederum alle, Beisatz: "Vor allem hier in Österreich. Im Niveau eines Oscar-Fälschers oder von Falco könnte sie aber auch dem internationalen Publikum gefallen". Und Deborah Arpino, Geschäftsführerin von der drittgrößten Agentur OMD, fügt differenzierend hinzu: "Mainstream ist nicht gleichzusetzen mit internationaler Musik."

Die minimale, freiwillige Erhöhung des ORF von nicht einmal einer Musiknummer österreichischen Anteils mehr pro Tag, versteht in Sachen strategischen Reichweitenerhalts zwar die Mehrheit der Mediaplaner ("das ist zu unbedeutend, dass sich ein Reichweitenverlust ergibt", "Ö3 ist nun mal Mainstream, da kann man keine Nischenmusik platzieren", "Ö3 gehorcht einem AC-Format, wo im Vorfeld abgetestet wird, was die Hörer wünschen", "ja zu mehr Österreich, aber nur wenn die Quoten nicht sinken"), sie merken aber auch an, wie etwa Maurizio Berlini: "Es gibt natürlich die Konditionierung, wonach man nur wünschen kann, was man schon kennt. Und die ist jahrelang im Monopolstatus von Ö3 und ORF gewachsen, sowohl gegenüber dem Sender als gewohnt zu hörendem Kanal, als auch gegenüber den Musiknummern. Es ist also ein schwieriges Thema: Was war zuerst, die Henne oder das Ei? - Andererseits hat selbst Ö3 als öffentlich-rechtlicher Sender einen Bildungsauftrag, für den er Gebühren erhält. Dass die Musikwirtschaft da Druck macht, ist berechtigt, schließlich leben wir ja auch von der Wertschöpfung im eigenen Land. Die Differenzierung müßte auch gegenüber den privaten Radioanbietern sein, die ja auch nichts anderes spielen, dafür aber keine Gebühren erhalten." - Abgesehen davon belegt allerdings eine Gallupumfrage, wonach 57% der Österreicher mehr österreichische Musik im Rundfunk wünschen. Man müßte also auch einmal fragen, wie diese deutsche Auftragsfirma, die das Ö3-Programm bestimmt, ihre erhobenen Wünsche bei wem abfragt?! Oder: auf welche Fakten sich ein Sager wie von Ex-ORF-GI Gerhard Zeiler, "man wird sich doch die Cash-Cow Ö3 nicht von österreichischem Programm versauen lassen", eigentlich stützt? Denn - wie eingangs skizziert - könnte es durchaus sein, dass die österreichischen Hörer Ö3 einfach hören, weil sie den Sender gewohnt sind zu hören und nicht etwa dessen Inhalt. Ähnliches Phänomen zeigt sich in Österreich ja auch bei der Kronenzeitung als "Phänomen der Medientreue des Österreichers an sich".

"Wenn es etwas Gutes an der Wirtschaftskrise gibt, dann ist das: dass die Kurse in der österreichischen Realwirtschaft angekommen sind. Denn die Finanzmärkte sind stets Ausgangspunkt der Scheinwelt. Für Print und Fernsehen ist das gut so, weil wir jetzt gezwungen sind, den Weizen von der Spreu zu trennen", meinte VÖZ-Präsident und Styria-Verlag-Chef Dr. Horst Pirker beim Adgar, "das ist die Chance auf Qualität für die Zukunft!". - Zu hoffen ist, dass künftig auch Qualität im Fernsehen als Qualität "verkauft" wird: nämlich die echten heimischen Kreativen, nicht die Amateure. - Ist das die USP-Chance für den ORF?


ÖSTERREICHS FILME UND MUSIK ALS USP DES ORF

Auf die Frage, ob es nicht eher von Vorteil sein könnte, statt Alltagsbürgern wie in Starmania gleich echte Könner als Stars zu präsentieren und so als öffentlich-rechtliche Medienanstalt einen USP (einzigartiges Verkaufsargument, das nur dieses Unternehmen hat) zu erlangen, verstehen zwar die meisten Mediaplaner den Willen, dem Trend zu entsprechen, als Gemeinbürger selbst ein Star sein zu wollen, und dadurch hohes Identifizierungspotential zu erlangen, wobei der ORF mit diesen "neuen Österreichern" als "vermarktete Künstler" wiederum an Quoten gewinnen und mit einem Return of Investment rechnen könne, wonach er ja (leider) noch immer bemessen würde. Meinungen wie von Deborah Arpino zeigen aber auch, dass sich die Mediaplaner eine alternative Ausrichtung vorstellen könnten: "Die echten Könner als USP wären definitiv eine wichtige Initiative. Ein Möglichkeit ist das Thema Authentizität und lokale Nähe stärker zu besetzen und hier mit echten Künstlern zu arbeiten."

Die Nachfrage, ob nun österreichischer Inhalt (besonders in der Musik) automatisch Wettbewerbsnachteil und damit eine Schwächung des ORF bedeutete, beantworten wiederum alle mit einem "definitiven Nein". Paul Schauer, Geschäftsführer der zweitgrößten Mediaagentur OmniMedia, meint schon in Bezug auf die Sinus Milieus - die Zielgruppe wird nicht nach Altersgruppen, sondern nach "Typen, je nach Lebensauffassung" bestimmt, etwa: Performer (für ihn zählt z.Bsp. nicht das Einkommen, sondern die Grundhaltung zum Leben), Etablierte (Leistung, Erfolg, exklusiver Lebensstil, neugierig auf Neues), Bürgerliche Mitte (heimatverbunden, harmoniebedürftig, gewisser sozialer Status), Hedonisten (Freiheits- und Unabhängigkeitsstreben von etablierter Leistungsgesellschaft, dennoch Luxus- unterhaltungsorientiert, spontan), bäuerlich-ländliche Menschen, etc. -, wonach Mediaplaner Werbung am effizientestesten platzieren: "Schon die Milieus in Deutschland und Österreich sind unterschiedlich. Davon abzuleiten ist, dass es einen österreichspezifischen Inhalt geben muss. Die österreichische Identität ist auch wichtig für die Authentizität der Werbebotschaften." "Das Bedürfnis, über sein eigenes Umfeld informiert zu werden, steigt in der globalen Welt", ist eine weitere Antwort darauf, und "gut präsentierter, qualitativ hochwertiger, österreichischer Inhalt hat sicher die besten Voraussetzungen, den ORF in seiner Positionierung zu stärken." Sowie: "In Italien etwa wird viel mehr italienische Musik gespielt. Weil die Zuhörer das hören wollen, wofür seit 40 Jahren eine Nachfrage geschaffen wurde. Ob live im Fernsehen Konzerte übertragen werden oder eigene Italo-Charts präsentiert werden, die Palette ist breit. Verglichen damit hat Österreich einen Riesen-Nachholbedarf." Für Dr. Markus Enzi bringen viel mehr Gleichschaltung und Anbiederung eine Schwächung des ORF, und keine Differenzierung: "Durch ewiges Hinterherhächeln schwächt sich der ORF bis zur Atemlosigkeit. Was er zur Änderung braucht, ist politischer Rückhalt."















Österreichische Zeitungsqualität war jedenfalls auch Der-Standard-Herausgeber Oscar Bronner einmal ein Anliegen - ein bißchen weniger Druck von der Wirtschafts-"Scheinwelt" (von der Anzeigen-Orientiertheit) würde auch seiner Zeitung gut tun - wie geht das besser, als wenn die Werber selbst kreativer (kontakterloser) werden - wie die Newcomer-Agentur des Jahres gantnerundenzi, die die Idee vor die Reichweite stellt, sodass die Reichweite umso größer wird.













Für komplexe Werbeideen ist Jan Mariusz Demner bekannt, der mit seiner bis heute Inhaber-geführten D,M & B gegenüber den Globalwerbern erneut umsatzstärkste Werbeagentur in Österreich wurde - Kreativität, Lokalbezug und Profit können also durchaus Hand in Hand gehen ...



ZUR VARIANTE: GEBÜHREN FÜR ALLE MEDIEN

Die Variante, je nach "Bildungserfüllung" einen Schlüssel der Gebührenverteilung auf alle Medienbetreiber - egal ob privat oder öffentlich-rechtlich - zu verteilen, wurde sehr differenziert aufgenommen. Derzeit plant SP-Medienstaaatssekretär Josef Ostermayer tatsächlich - ähnlich wie in Grossbritannien - fünf Millionen Euro für kommerzielle Sender, eine Million für nichtkommerzielle Stationen, sowie sechs Millionen mehr für TV-Produktionen zur Verfügung zu stellen. Diese neue Förderung soll von den 118,7 Millionen Euro kommen, die der Bund jährlich aus Rundfunkgebühren einnimmt. Sie wird von der RTR (Rundfunkregulierungsbehörde) ausgeschüttet, und zwar für "vielfältiges und hochwertiges Programmangebot, das insbesondere einen Beitrag zur Förderung der österreichischen Kultur, des österreichischen und europäischen Bewusstseins sowie der Information und Bildung der Bevölkerung leistet".
Bejahung zur Gebührenverteilung kommt von ZenithOptimedia. Mag. Andrea Reschreiter / Research Director OMD stellt dafür allerdings eine Bedingung: "Dafür bin ich nur, wenn das eine hohe Quote vieler starker Sender mit österreichischer Identität und hohen moralischen Ansprüchen gewährleistet, woran ich aber eher nicht glaube. Sondern ich glaube eher an ein Sinken der Qualität." - In der Tat kommt es etwa in Grossbritannien sogar zu Kompositionsaufträgen von kommerziellen Sendern (Channel 4), die als Oper im TV gezeigt und darauf hingeschnitten kreiert werden. Allerdings sind diese oftmals so schlecht - Stichwort "Oper When She Died von Jonathan Dove (siehe Kritik auf intimacy: art) zum Phänomen Tod Lady Di" -, dass es nicht nur einem Opernfreund verleidet, sondern wahrscheinlich auch einem Desinteressierten, bevor dessen Interesse überhaupt entstehen kann. Man kann sich darunter auch die Reinhard-Fendrich-Karaoke-Show Sing And Win auf ATV vorstellen, die kaum den Kern der Musiknation Österreich, geschweige denn den Musikalischen eines Reinhard Fendrich (!) mit Band trifft. Immerhin bringt der öffentlich-rechtliche Sender BBC aber Shows zustande, die wir in Österreich gegenwärtig einkaufen müssen (Dancing Stars), wo aber wenigstens österreichische Spitzenmusiker die Nummern arrangieren und interpretieren. - Insofern ist es auch nachvollziehbar, wenn der Gebührensplit völlig abgelehnt wird, mit der Begründung, "es sollte eine freie Medienlandschaft in einem freien Markt und einen öffentlich-rechtlichen Sender geben, der seinem Auftrag wirklich nachkommt".

... mancher Werber hätte sich deshalb mit den Musikern gerne nach der Adgar-Preisverleihung zum Dinner im Konzerthaus ausgetauscht - doch leider wurden jene backstage abgeschottet. - Nix für ungut, aber der "Gesinde-Trakt" gehört im 21. Jahrhundert definitiv abgeschafft! Denn Kreativität hat nicht nur eine Wirtschaftsseite, sondern auch jene der Kunst!

V. li.: E-Gitarrist Peter Paul Skrepek, Trompeter Bernhard Rabitsch, der für das Konzert extra aus München eingeflogene Schlagzeuger und Popprofessor Curt Cress (war vor Thomas Lang in der Falco-Band), Bassist Bertl Pistracher und Bandleader Thomas Rabitsch, der für den ORF auch Dancing Stars und Starmania musikalisch leitet; sie hätten jedenfalls nichts gegen ihre echte, eigene Musik in der Öffentlichkeit (in heimischen Medien). - So wie auch das Publikum nicht.


HEIMISCHE IDENTITÄT IN GLOBALER MEDIENZUKUNFT

Bezüglich der medialen Zukunft im globalen Zeitalter meinen abschließend die meisten, dass es mit der Digitalisierung viele neue medialen Innovationen gebe und zu einem Wechsel von der unidirektionalen Imagewerbung zu Medien komme, die sich als Dialogvermittler der Marken positionieren würden, da junge Konsumenten ein verändertes Markenverständnis hätten. Das Mobile Web wird als Massenmedium der Zukunft gesehen. Die klassischen Medien werden sich der digitalen Verbreitung öffnen müssen, selbst wenn sie alle auch komplementär genutzt werden. Im Internet selbst werden sich letztendlich zwar dieselben Marktmechanismen von breitem Segment mittelpreisiger Produkte, kleinen Nischenprodukten und kleinem Premium-Segment und zunehmendem Diskontbereich heraus kristallisieren, erstmals aber werde es möglich, innerhalb der internationalen Marken und "Speisen", die "eigenen überbackenen Grammelknödel", also genau "diese lokale Spezialität", nach der man sich umso mehr sehne, via Internet zu globalisieren und zu vermarkten ... Denn alle Trend-Studien bewiesen, dass es in der momentanen, global-hervorgerufenen, schwierigen Wirtschaftslage zu einer Rückkehr der Prinzipien von Gemeinschaft und Gemeinsamkeit statt Individualismus und Genusssucht komme. In der Werbung bestechen Kampagnen mit Heim und Nostalgie, sodass "das heimische Identitätsbewußtsein sicher höher zu bewerten sei als das Globale" (Deborah Arpino).


WIE DER IT-MARKT AUCH DEM MUSIK- UND MEDIENMARKT ETWAS BRINGEN KANN

Als zweites Standbein raten die Mediaplaner den österreichischen Musikschaffenden generell, sich parallel im Internet über ein starkes und gut beworbenes Internetradio zu etablieren, das ein Budget vom Staat bekommen und dann mit Radiostationen kooperieren sollte. Denn im Internet-Zeitalter würde zuerst dort gesucht und entdeckt, dann folgten erst die klassischen Medien, weil eine Nachfrage bestünde. Ähnliche Strategie verfolgt übrigens in der Schweiz die Musikplattform Mx3.ch seit Herbst 2006, die ausschließlich Schweizer Musik im Bereich Unterhaltungsmusik von derzeit 10800 Bands via Datenbank verbreitet und kostenlos zugänglich macht. Die bisherige Eignerin war (man staune) die öffentlich-rechtliche SRG SSR idée suisse, inzwischen ist sie eine von mehreren musikwirtschaftlichen Partnern.
Die Frage in Sachen Internetradio ist aber immer noch, ob sich dabei die Werbung so weit integrieren läßt, dass sich sowohl die Musiker, die Produzenten, als auch die Internetmedien damit finanzieren können. Denn Fakt ist: wo in klassischen Medien bisher aufgrund von Reichweiten und Impact Geld floss, schlagen sich für einen Medienbetreiber im Internet in der Regel weder jene Daten, noch Anzeigen-Clicks in Geldwert nieder. Zu einer Vergütung kommt es erst, wenn ein Surfer auf eine Anzeige clickt und dann etwas kauft. Er bekommt also nichts für das In-Umlauf-Bringen des Markennamens. Und das ist fatal.
Fakt ist auch: wo bisher Musiker für den Verkauf einer CD wenigstens einen minimalen Anteil und ihre Produzenten den Löwenanteil bekamen, erhalten jene im Internet durch das Downloaden raffinierter Musiksurfer nichts mehr. Bertelsmann-Chef Helmut Ostrowski sagte kurz vor seinem Sony-BMG Anteilsverkauf naheliegender Weise: "Das Gute ist, es hören mehr Menschen Musik als jemals zuvor. Das Schlechte ist, es ist nicht einfach, das zu Geld zu machen." Und Stephan Dorfmeister sagt über das weltbekannte österreichische Label Kruder & Dorfmeister: "Wir haben zu Hoch-Zeiten bis zu 40.000 Stück verkauft, jetzt sind es nicht einmal mehr 10.000." Doch generell würden "legal" bis zu 25% aller CDs online verkauft.

HOFFNUNG FÜR DIE MEDIEN

Die Hoffnung, aus diesem allseitigen Gratis-Selbstbedienungsladen zu kommen, der sich mit dem Werbeeffekt für Newcomer und mit "demokratisch freiem Meinungsverbreitungszugang für alle" rechtfertigt, liegt einerseits wieder in der Werbewirtschaft. Denn laut Branchenblatt Extradienst zeichnet sich 2009 ein Trend ganz deutlich ab: "Online-Werbung zieht weiter stark an und scheint gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erst richtig auf Touren zu kommen. Was auch mit dem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis zu tun haben mag. (Anm. Red.: Da - wie gesagt, der Medienbetreiber so gut wie nichts an der platzierten Werbung verdient.) Und hier gibt es noch Platz nach oben. Hinkt doch unser Land in der Nutzung des Internets für Werbung und Marketing den Spendings vergleichbarer Länder noch deutlich hinterher. (Anm. Red.: Schon weil kaum eine Internet-Schaltagentur in Österreich sitzt, sondern meist in Deutschland, den deutschsprachigen Raum abdeckend!)" - Das Hoffnungselement für die Medienbetreiber kann daher nur in einer realen Anhebung eines Gegenwerts für die Platzierung liegen. Denn, so wie es jetzt ist, ist es im Grunde kein Geschäft zwischen zwei Partnern, sondern nur ein Geschäft für einen Partner, nämlich das werbende Unternehmen. Ein Schritt zur besseren Leistungs-Legitimation könnte von Österreichs Web-Mediaplanung (IAB Internet Advertising Bureau Austria) kommen, die 2007 mit ÖWA Plus nach Vorbild der deutschen Agof ein neues Meßinstrument für Internetnutzung (arbeitet ähnlich wie nach Sinus Milieus) einführte, sodass Medien vergleichbar gemacht werden und bessere Argumente gegenüber Agenturen und Werbetreibende gewonnen werden können. Langfristig wird sich das Ungleichgewicht der Geschäftspartner jedenfalls entschieden ändern müssen, da immer mehr Medien ihren Online-Auftritt ausbauen: Das Vorarlberger Medienhaus plant etwa bis 2014, 34 Prozent des Umsatzes im Internet lukrieren zu wollen, der bisher noch zu 90 Prozent durch den Printsektor bestritten wird, da der Online-Werbemarkt, laut Verlagschef Eugen Russ, "noch lange nicht ausgeschöpft sei". Bezeichnend ist, dass er den Inhalt dabei "lokal" ausrichten will: durch "lokales Internet mit lokalen Anzeigen und lokaler Berichterstattung sowie lokalem Service".

37% der freischaffenden Profi-Künstler jonglieren an der 900-Euro-Einkommensgrenze - das weiß Kulturministerin Claudia Schmied seit fast einem Jahr, und doch setzt sie sich bisher nur kosmetisch für jene ein: und gar nicht für deren Vorkommen im österreichischen Rundfunkgesetz.
- Eine Hoffnung birgt das Internet, insbesondere für die Musik. Bisher aber nur als Werbemedium, wo nichts verdient werden kann. Deshalb bräuchte ein heimisches Internet-Radio eine staatliche Förderung.



HOFFNUNG FÜR MUSIKER UND KREATIVE

Die zweite Hoffnung liegt andererseits in der rechtlich reglementierten Vergütung der Werke, sodass die Künstler und im Detail die Musiker an ihrer Arbeit etwas verdienen. Denn wenn 37% der freischaffenden Künstler mit professionellem Anspruch in Österreich laut einer von Kulturministerin Claudia Schmied in Auftrag erhobenen repräsentativen Studie im Juni 2008 entlang der armutsgefährdenden 900 Euro-Einkommensgrenze (Konsequenz: Kinder- bzw. Partnerlosigkeit) jonglieren, - wobei das mittlere Äquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen) auch nur 1.000 Euro pro Monat beträgt (Gesamtbevölkerung 1.488 Euro) -, dann trifft das auch auf die Musiker zu. Denn sie leben von ihren Rechten an den CDs, und das mehr schlecht als recht, da sie neben der Raubpraxis im Internet auch noch Knebelverträgen von Plattenfrimen ausgesetzt sind. Gefordert wird laut mica-music austria einerseits ein starkes Urheberrecht samt Schutz der Kreativen, der es ihnen erlaubt, aus nachteiligen Verträgen wieder auszusteigen bzw. einen gerechten Anteil an erwirtschafteten Gewinnen ("Bestsellerparagraph") zu erhalten. Außerdem soll der Kulturwirtschaft Österreichs in Anlehnung an die EU-UNESCO-Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt von politischer Seite eine gezielte Strategie zu E-culture vorgelegt werden, samt Infrastruktur zur digitalen Musikverbreitung durch die öffentliche Hand oder durch Public-Private-Partnerships.

... Dass die Musiker vielleicht künftig etwas im Internet verdienen, dafür entwickelt MediaFuturist Gerd Leonhard Konzepte. Telefonie- und Suchmaschinen-Betreiber sollten etwa direkte Gelder an die Künstler abgeben. - Bisher funktioniert Internetradio lukrativ nur per kostenpflichtigem Abonnement.

Letztendliches Ziel ist aber natürlich die direkte Verdienstmöglichkeit des Musikschaffenden durch den Verkauf seiner Musik im Internet: Ableitend vom Faktum, dass weltweit 32 Millionen Konsumenten Musik streamen, also online hören, meint "MediaFuturist" und Buchautor Gerd Leonhard: "Es steht hier ein neues Wachstum bevor, weil bisher tatsächlich nur 2 Prozent der Bevölkerung online sind - und doch ist derzeit Myspace das fünftgrößte ´Land´ der Welt. Dabei werden die früheren Konsumenten zu Schöpfern, die durch nicht leicht zu trennendes "Anhören" und "Kopieren" mixen und remixen, was in den Businessmodellen zu berücksichtigen ist. Deshalb muss das Copyright um ein standardisiertes Nutzungsrecht für digitalisierte Musik erweitert werden. Die neuen Möglichkeiten im Internet müssen je nach Nutzung lizensiert werden, während Kontrolle (durch bisherige Musikkonzerne, Kopie-Verweigerung bzw. -Erlaubnis) keine Gewinnchancen mehr hat und Wachstumssicherung mehr bietet. Dann werden sich diese Möglichkeiten auch kommerziell lohnen."
In der Praxis heißt das, dass etwa ein Euro im Monat pro Mobile-Telefonierer an die Musiker gehen soll, wenn schon vier Milliarden Mobil-Telefone mit eingebauter Flatrate für Musik in Umlauf sind. Oder: "Die enorme Chance liegt in Musik-lizensierten Suchmaschinen, wie sie etwa Google in China, Norwegen und Dänemark als Musik-Service gestartet hat, um möglicherweise eine erste bezahlte Online-Initiative in Gang zu setzen, wonach von Google ein Euro pro User an die Datenbank-Kreativen gehen soll. Die Idee ist, dass die Kreativen überall, wo mit Musik-Anhören im Internet Geld verdient wird, ihren Anteil bekommen. Das bedeutet: das Musik-lizensierte Netz ist eine Riesenchance, wobei das Problem und dessen Lösung nicht beim kopierenden User, sondern bei der Industrie und Gesetzgebung liegt."
In der gegenwärtigen Praxis gehen einzelne Betreiber aber noch immer den konventionellen Weg: Das Internet-Radio Last.fm stellt etwa seit Anfang April dieses Jahres seine sieben Millionen Musikstücke und Videoclips für User außerhalb der - mit Werbeeinnahmen ausreichend versorgten - Länder USA, Großbritannien und Deutschland nicht mehr gratis zur Verfügung, sondern verlangt nach 30 Gratis-Musiktiteln ein Abonnement von drei Euro pro Monat, um die Rechte an Labels und Künstler zahlen zu können.

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