Wednesday, May 14, 2014

"ZU CONCHITA WURSTS SIEG" oder "ES SOLLTE NUR NOCH EUROVISION CONTEST HEISSEN"

Conchita Wurst - sympathisch und wahrhaftig in ihrem Alter Ego - aber mit ihrem Song kein musikalischer Meilenstein.

Hier noch einmal eine Zusammenfassung des Votings beim Song Contest 2014 für Conchita Wurst, Österreich, und eine persönlichen Interpretation meinerseits:
 

Jury und Publikum in der Gesamtwertung für Conchita

Nur in fünf Ländern wählten sowohl Jury als auch Publikum Conchita auf den ersten Platz: Schweiz, Niederlande, Slowenien, Schweden und Finnland. - Die ersten beiden Länder sind bekannt für ihre Trans-Gender-freundliche Gesinnung. Schweden und Finnland arbeiten in Sachen Nato-Haltung und Ukraine-Reaktion in Bezug auf Russland zusammen - ihre Widerrede zum "No-Go von Homosexuellen" Putins ist ein subtiler Fingerzeig des Widerstands, ohne dabei Kriegerisches oder Brüche von Handelsbeziehungen zu provozieren. Slowenien hat sich als erstes der jugoslawischen Länder vom Kommunismus gelöst und gilt als EU-Vorreiter dieser Region. All diese hohen Bewertungen sind also primär (sozial)politischen Motiven zuzuordnen - selbst wenn die Gesangsperformance fehlerlos und das konventionelle Lied solide gemacht waren.

Jury ohne Publikum in der Gesamtwertung für Conchita

Von den Juries im Gegensatz zum Publikumsvoting haben Conchita Wurst Griechenland, Irland, Israel und Litauen an erste Stelle gewählt, wobei sie in Griechenland tatsächlich nur eine Person auf den ersten Rang (neben Rang 2, 3, 4, 5 der anderen vier Juroren) reihte - hier sind die Geschmäcker also so verschieden, dass selbst so eine hohe Gesamtwertung den ersten Platz ergibt. Dasselbe gilt für Irland. wo sie die Mehrheit eigentlich auf Platz 3 sah. In Israel wählten sie zwei Personen auf Platz 1, wobei Israel 1998 selbst mit der Drag Queen ("Dana International" mit dem Song "Diva") den Song Contest gewonnen und 2011 ein zweites Mal teilgenommen hat. Auch im baltischen Litauen sind es nur zwei von fünf Juroren, die für Conchita stimmten (das Publikum wählte sie auf Platz 5, was gesamt Platz 2 ergab, also 10 Punkte für Österreich).

Publikum ohne Jury in der Gesamtwertung für Conchita

Vom Publikum wählten Conchita im Gegensatz zur Jury an erste Stelle: Deutschland (Jury: 11. Platz), Malta (Jury: 9. Platz) und Portugal (Jury: 6. Platz). Hier könnten neben der ehrlichen und einwandfreien Darbietung der Sängerin die generelle Bevölkerungsprägung durch Trash-TV und der Wow-Effekt beim ersten Eindruck ausschlaggebend gewesen sein.

Conchita als Gesamtsiegerin ohne Publikum- und Jury-Erstreihung

Verblüffender Weise schaffte es Conchita Wurst nun aber auch an erste Stelle mit 12 Punkten, wenn weder Jury noch Publikum sie zur Siegerin kürten: in Italien (Jury: 3. Platz, Publikum: 2. Platz), Großbritannien und Belgien (jeweils Jury und Publikum: 3. Platz) sowie in Spanien (Jury und Publikum: 2. Platz) - lauter Länder mit hoher Musikkultur und dementsprechend differenzierten Vorlieben der Musikhörer. Leider wird so aber nie das qualitativ Außergewöhnliche Sieger, sondern nur der bessere Durchschnitt mit höchstem Durchschnittswert. Und gerade, weil das Niveau der Lieder heuer insgesamt recht hoch war, sodass es zu differenzierten Wertungen kommen musste, wurde das ausschlaggebend.
Auch die insgesamte Conchita-Zweitbewertung (was also allen etwas besser gefällt) mit zehn Punkten der Länder Frankreich, Georgien, Ungarn, Island, Litauen, Malta und Norwegen trug noch einmal zu dem scheinbar "eindeutigen" Ergebnis bei.

Ein Sechstel der Juroren für Conchita als Siegerin

Nun könnte man einwerfen: zählt man alle Juroren zusammen, die Conchita zur Nummer Eins kürten, kommt man mit insgesamt 33 von ca. 180 Personen (Georgien hatte keine Juroren) zum Schluß, dass deren Mehrheit doch die Wurst als Siegerin sahen - allerdings sind das nur cirka ein Sechstel aller Juroren. (25 waren für Schweden, 20 für Niederlande, 12 für Dänemark, 11 für Armenien, 9 für Rumänien, 8 für Rußland) Künstlerische Sieger, die es schaffen, extrem individuelle Hör-Vorlieben anzusprechen - denn um diese fragile Kraft geht es in der höchsten (Musik)kunst, wenn sie innovativ und/oder sensibel ist -, sollten demnach eher die sporadischen Siegernennungen genannt werden, wie Italien, Schweiz, Ukraine und Malta mit jeweils zwei Nennungen, sowie Spanien, Montenegro, Großbritannien, Weißrußland mit jeweils drei Nennungen, Malta mit vier, sowie Deutschland mit fünf Sieger-Beurteilungen, weiters Norwegen und Aserbaidschan mit jeweils sechs Siegerstimmen, sowie Finnland mit acht Sieger-Stimmen. Bei den jeweiligen Jurorenteams der Länder fällt aber auch immer wieder die Absprache untereinander bezüglich des Siegers auf, wenn etwa alle einhellig für denselben waren. Auch dieses Ergebnis ist also kein echtes Abbild, sondern unterliegt einer Strategie in Hinblick auf die Endauswertung.

Publikum sah Conchita vor Armenien

Mehr Glaubwürdigkeit hat an sich das reine Publikumsvoting, in dem Österreich mit acht Nennungen vor Armenien mit sechs und Niederlande mit fünf Siegernennungen gewonnen hat. Polen erhielt wie Rußland (!, die ausgebuhte Nation während des Konzerts) vier und Rumänien drei Nennungen. Einzelsieger wurden bemerkenswerter Weise die Ukraine, Montenegro, Finnland, Schweiz und Ungarn. Insgesamt gab es 35 Publikumsvotings (Albanien und San Marino hatten nur Jury-Votings), wodurch die Zahl "acht" wiederum nur ein Viertel bis Fünftel aller Zuseher ausmacht.

Es siegt der künstlerische Durchschnitt und der Polemik-Trend

Conclusio: das mit dem großen Sieg ist relativ, da eigentlich immer nur der höhere Durchschnitt gewinnen kann, geprägt durch die gegenwärtige Boulevard-politische  Lage. Den Conchita-Machern gebührt der Pokal für ihre punktgenaue Strategie. Der Begriff Eurovision Song Contest ist allerdings längst überholt, es sollte "Eurovision Contest" heißen.  e.o.

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