Die Albtraum-Kriegssituation in Syrien bringt die Welt durcheinander. - Zeit für die EU mit Österreich und Wien, über ihre Identität nachzudenken. |
ES SCHEINT, ALS FLIEHE DIE EU VOR IHRER NATÜRLICHEN, ETHNISCHEN IDENTITÄT DER DIVERSITÄT. DABEI WÄRE IHRE VERTIEFUNG DIE LÖSUNG ALLER PROBLEME. MIT KLAREN VERHÄLTNISREGELN VON EINHEIMISCHEN, EINWANDERERN UND FLÜCHTLINGEN. DAS WÄRE AUCH FÜR ÖSTERREICHS HÖHERENTWICKLUNG GUT. UND LÄNDER WIE SYRIEN HÄTTEN SO DIE CHANCE, SICH SELBST ZU MISSIONIEREN.
Ein Aspekt an der Flüchtlingskrise ist positiv: dass Fragen der Identität der EU und seiner Länder aufgeworfen werden. Die Fragen: Was sind wir? Wo gehen wir hin? Und nicht zu vergessen: Wo wollen wir hin? Wir - eingeschüchterte EU-Bürger – verharrten lange gleich einer Pattstellung in der Position der sprachlos Wartenden. Und wüssten viele von uns aus Erfahrung nicht, dass alles einmal besser war und leichter ging, blieben wir noch immer hinnehmend und stumm. Mit „uns“ sind die Österreicher, die Deutschen, die Franzosen, die Italiener, die Griechen, die Briten, ..., zusammengefasst, jene westlichen Industriestaaten gemeint, die einmal die Stärke Europas und Länder mit starkem Selbstbewusstsein und stolzer Kultur repräsentierten.
VERWERTETES BEWUSSTSEIN DER WIEDERGUTMACHUNG
Im Zeitalter der schwindenden christlichen Glaubensbekenntnisse begegnet uns aber auch das Helfersyndrom, und zwar im regelrechten Wettbewerbsverhalten um größere individuelle Güte, als gehe es um die Reinwaschung der persönlichen traumatischen Erbsünden. Es hat mit der „Umverteilung“ sogenannter „demokratischer Verhältnisse“ auf Osteuropa begonnen. Jene Länder, die wiederum zuerst einmal ihr eigenes nationales Selbstbewusstsein finden müssen, um überhaupt zu wissen, was Identität eines Staates beziehungsweise Diversität innerhalb der EU durch viele individuelle Staaten bedeuten kann. Ob allerdings diese optimale Vorstellung von einer Länderkonstellation, wo sich folglich alle Bürger selbst mögen und einander respektieren könnten, seitens EU-Regierung geteilt wird, ist kaum ersichtlich. Im Vordergrund steht die Expansion der Europäischen Union bezüglich ihrer Außengrenzen sowie das Streben nach wirtschaftlichen Beziehungen untereinander und: mit Drittländern. Am besten solche, deren autoritäre Herrscher man demontiert, um sich deren Land für die westliche Bewirtschaftung hindernisfrei unter den Nagel zu reißen. Das sorgt für das langfristige Wirtschaftswachstum Europas (bzw. der USA), für frisches Geld von außen nach innen. Für diese Strategie braucht es bekanntlich keine menschlichen Individuen mit Wünschen, Herkunftsbewusstsein und großen persönlichen Zielen, sondern nur den schnellen grenzüberschreitenden Zahlungsvorgang und Produktaustausch.
WIRTSCHAFTSFLÜCHTLINGE IN KRIEGSFLÜCHTLINGEN
Die Ausstrahlung der „wohlhabenden EU-Länder“ zieht Wirtschaftsflüchtlinge an, die nicht nur vor und neben den Kriegsflüchtlingen „mitreisen“, sondern auch in ihnen stecken. Im Klartext: Die Kriegsflüchtlinge sind beides. Ganz nach dem österreichischen Christina-Stürmer-Hit Nie Genug: „Ich kriege nie genug vom Leben. Ich kriege nie genug, da geht noch mehr. Ich will alles auf einmal, und nicht nur so halb, nicht nur warten, bis etwas passiert. Bist Du dabei, ich will alles riskieren, nur gewinnen, nichts verlieren. Immer mehr, immer mehr.“ Denn sonst würden jene nicht alle ins „Gewinnerland“ Deutschland wollen, in jenes EU-Land mit dem höchsten BIP, der stärksten Wirtschaftskraft pro Jahr; jenes Land, das so tut, als wäre es auch die Erstinstanz aller Entscheidungen in der EU. Dieses BIP lässt sich allerdings nicht von allen Einwohnern herleiten, sondern nur von wenigen gut verdienenden „Köpfen“. Jene sind es höchstwahrscheinlich auch, die das – im Gegensatz zu anderen EU-Staaten (wie die verhältnismäßig pro Haushalt „vermögenderen“ Rettungskandidaten Zypern, Spanien, Griechenland!) - insgesamt geringe Vermögen des Landes besitzen. Was wiederum heißt, dass man hochqualifiziert und protegiert sein muss, um unter diese Köpfe zu gelangen.
MASSENABSATZ STATT INDIVIDUELLE HOCHENTWICKLUNG
Für die meisten Einwohner Deutschlands gilt also eher die Textzeile aus Lass uns gehen von Revolverheld, haushoher Gewinner des Bundesvision-Songcontest 2014 und deshalb ein tatsächliches Seelenabbild der Deutschen: „... bin immer erreichbar und erreiche doch gar nichts. Ich halt es hier nicht mehr aus. Hinter Hamburg, Berlin und Köln, hören die Menschen auf, Fragen zu stellen. Lass uns gehen, lass uns gehen, lass uns gehen ... Wir träumen vom Sommer in Schweden“. Der permanente Leistungsdruck mit unbefriedigenden Sisyphus-Investitionen springt aus diesen Zeilen förmlich heraus. Unbefriedigend, weil sich Erfolg nur durch bewährten Massenabsatz zeigt und nicht mit Kriterien der Hochentwicklung, Besonderheit und Kreativität, wie sie etwa Universitäten lehren. Dasselbe gilt für Österreich, nur auf niedrigerem Durchschnittsniveau. Deshalb ist es Unsinn, mehr Bildung zu fordern, nötig wäre die Nutzung der vorhandenen Bildung in der realen Arbeits- und Produktionswelt. Das ist übrigens genau der Punkt, warum früher alles besser war und leichter ging: echte Leistung und große persönliche Einfühlung hatten noch ihren Wert und konnten auch verkauft werden. Heute bewähren sich nur Schablonen.
ABWÄRTSSCHUB DURCH FLÜCHTLINGE
Die Flüchtlinge mit der Hauptgruppe der Syrer wiederum interessiert das – zunächst noch - kaum. Sie stellen laut Nahost-Expertin Karin Kneissl den kompletten Gegensatz der Europa-Flüchtlinge der 80er Jahre dar, die kamen, „weil sie als Citoyens republikanisch denkende Menschen, frei von religiösen und ethnischen Zwängen sein wollten. Jene wollten Europäer werden mit einem gelebten Individualismus, sie wollten teilhaben an dem, was in Europa möglich ist“. Sie spricht damit die Minderqualifizierung der meisten aktuellen Kriegsflüchtlinge an, wovon auch das Münchner Ifo Institut ausgeht, „sodass sie ohne Absenkung des Mindestlohns keine Chance auf bezahlte Arbeit haben werden“. Allerdings sind sie mit dem 80%-Anteil von jungen Männern zwischen 20 und 30 Jahren noch „zustutzbar“, sodass sich zumindest einige von ihnen in für Deutschland brauchbare Anforderungen einfügen lassen werden. In der Folge könnten jene dann auch die perfekten Mittelsmänner für die wirtschaftlichen Syrien-Kontakte in Friedenszeiten werden. Eine erste Konsequenz wird allerdings sein, dass noch mehr derzeitige (ost)deutsche (Mindest)-Lohnbezieher nach Österreich kommen - hierzulande jetzt schon die größte ausländische Bevölkerungsgruppe -, die in der Regel als Hofer-Kassier besser Kopfrechnen kann und freundlicher ist als so mancher gebrochen Deutsch sprechender, in Österreich geborener Immigranten-Nachkomme. Deutschland und Österreich können sich somit mit steigenden Arbeitslosenzahlen anfreunden sowie mit Verdrängung von Arbeitsplätzen und weiterer Verschlechterung bzw. Erschwerung der Sozialleistungen. Sollte es wiederum stimmen, dass insbesondere unter den Syrern auch einige Akademiker sind, da ja angeblich das dortige Bildungsniveau mit jenem von Österreich vergleichbar sei, träfe die Verdrängung auch in dieser Schicht zu.
SCHULD AN DER KRIEGSGEWALT IN SYRIEN
Die Bildungsparallele macht allerdings stutzig, weil damit kein ausreichender Grund bestünde, warum ein Assad-Regime in kriegsfernen Zeiten so beklagenswert gewesen sein soll. Die Stimmung der Unzufriedenheit ist erst durch die Übergriffe des Arabischen Frühlings ab 2010 aufgepeitscht worden. Baschar al-Assad ist seit 15 Jahren Regierender des Landes und nicht erst seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011, wo sämtliche einander bekämpfenden Fraktionen äußerst brutal vorgehen. „Wir haben den Krieg nicht angefangen und die Art des Krieges nicht ausgesucht. Wir verteidigen uns so, wie es die Umstände und Taktik des Gegners, Terroristen mit hochentwickelten Waffen, erfordern. Wir müssen auf die gleiche Weise zurückschlagen“, rechtfertigt sich Assad gegenüber internationalen Menschenrechtlern. Assads Wunsch an den ersten alle Fraktionen „vermittelnden“ UN-Sondergesandten Kofi Annan war es, sich auf die Frage der Gewalt zu konzentrieren und die Terroristen aus der Türkei und Katar sowie den Geldfluss von außen zu stoppen, der das Feuer schüre.
WO GIBT ES POLITISCHE REDEFREIHEIT?
Syrien war bis 2009 ein Land mit ganz persönlichem Charisma, uralter, ostromantischer Schönheit, traditioneller Poesie sowie einflussreicher, moderner und erlaubter Literatur – etwa über Zwangsverehelichung, Vergewaltigung der Ehefrau durch Clan-Karrieristen und folgende Untreue der Frau. Trotz der ausgelösten Kritik in der arabischen Welt wurde dieser Stoff in Syrien sogar verfilmt. Politische Themen bis hin zur Regime-Kritik durfte man hingegen nicht öffentlich aussprechen. Aber – offen gesagt – auch in Österreichs klassischen und breitenwirksamen Medien ist nur eine Berichterstattung geduldet, die entweder regierungskonform oder zumindest parteiengefestigt tendenziös ist. Politische Newcomer haben keine Chance. Und die besten Jobs und Förderungen gibt es auch nur mit Beziehungen zur führenden Partei.
ASSADS ZÖGERLICHES REFORMVERHALTEN
Im Gegensatz zu Österreichs jüngerer Beschäftigungsentwicklung schaffte es Baschar al-Assad, die Arbeitslosenquote von 13,48% zu Beginn seiner Amtszeit 2000 auf 8,61% vor dem Bürgerkrieg zu senken, zudem ließ er westliche Liberalisierungstendenzen in der Wirtschaft zu, nachdem er schon vor seiner Regierungszeit als gebildeter und sanfter „Reformer“ mittels Antikorruptionskampagne vorsichtige Schritte unternommen hatte, um konstruktive Kritik innerhalb des Verwaltungsapparats möglich zu machen. Er lockerte die Zensur und den eisernen Griff der Geheimdienste. Unter Assads Vater verschwand man bei öffentlicher Regime-Kritik noch, Assad steckte Gegner "zumindest" ins Gefängnis, je nach Fall auch unter Folter-Anwendung. Für uns im Westen mag das unmenschlich sein, für viele Ost-Regierungen ist diese Form der "Rechtausübung" aber "Brauch". Andererseits: denkt man an die Foltermethoden der Amerikaner - wie Guantanamo oder früher die CIA-Kommunistenhatz -, dann muss man sich wundern, warum sich gerade diese Nation anmaßt, über die aktuellen, syrischen Geheimdienste zu richten und ihnen keine humane Entwicklung anerkennen zu wollen. „Was sind die Kriterien, was die Schnelligkeit von Reformen angeht? Keiner hat die“, meint Assad auf die Forderungen der Opposition in Syrien und des Westens, denen seine Zugeständnisse bezüglich politischen Mitspracherechts, weniger Vetternwirtschaft und mehr Freizügigkeit zu wenig weit gingen.
Sein zögerliches Vorgehen mag daran liegen, dass es selbst unter der Familie Assads Widersacher gibt, die die Macht an sich reißen wollen, wie 1999 etwa Baschars Onkel Rifa´at al-Assad. Lockerungen wie die Redefreiheit wurden schließlich wieder eingestellt, nachdem die Forderungen nach demokratischen Reformen unerwartete Ausmaße angenommen hatten. – Ähnliche Unmäßigkeit erfahren jetzt die Deutschen mit den Flüchtlingen, deren Sonderwünsche hinsichtlich Unterbringung und Verkostung immer exquisiter werden. Ähnliches sah man auch von den „Fliehenden“, die sich gegen die regulierenden Behörden der Durchreiseländer auflehnten. Baschar al-Assad fürchtete also um die Stabilität des Regimes und des Landes – so wie jetzt auch Europa um die eigene Stabilität fürchtet. Assad fürchtet sich jetzt auch wegen den USA und der syrischen Opposition, die nur nach seiner Absetzung für Übergangsregierungsgespräche bereit sein wollen.
„Der Präsident bedeutet die Souveränität des Landes und das Schicksal des syrischen Volkes“, ist Assad nicht zum Rücktritt ohne Bürger-Entscheidung bereit. Natürlich möchte er sich den Staatspräsidenten-Bonus bei der Wahl auch nicht nehmen lassen, der in der syrischen Bevölkerung eine große suggestive Bedeutung hat, weil eben Machdemonstration in dieser Gesellschaft existenziell wichtig ist. – Abgesehen davon ist aber ganz objektiv zu fragen: wer außer Assad wird die Einwohner mit ihrer alten Kultur vertreten, wenn der zu verhandelnde Dialog nur aus Proponenten des Westens, westlicher Wirtschaftsabsichten und vielleicht noch regionaler Nachbarn besteht? – Auch der unabhängige Friedensnobelpreisträger Kofi Annan war für die Einbeziehung Assads in die Übergangsregierung. Er trat 2012 als Vermittler nach nur fünf Monaten zurück, weil die USA (bis heute) nicht darauf einsteigen wollten.
Assad selbst besuchte ein arabisch-französisches Gymnasium, absolvierte ein Medizinstudium bis zur Praxisausbildung in Damaskus und Augenarzt-Fortbildung in London. - Diesen Beruf wählt niemand, der Leute per se umbringen, sondern der deren Lebensqualität verbessern und erleichtern will. Militär- und politische Ausbildung folgten erst als klar wurde, dass er statt seines Bruders regieren sollte: Ein Land, wo das Volk jenseits der politischen Aktivisten - Araber, Moslems, Kurden, Christen und Alawiten über Jahrzehnte ohne große Konflikte nebeneinander lebten. Das Sprechen über religiöse Zugehörigkeiten war ab 1980, nach Zusammenstößen zwischen der Sunniten-Opposition und dem Alawiten-Regime, zwar weitgehend tabuisiert. Das war aber wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit dieser Volksgruppen-Konstellation, die gemeinsame Identität auf einer anderen Ebene zu finden.
Wer als Assad sollte besser wissen, wie viel an „Westen“ in seinem Land möglich ist, wo er doch selbst als westlich Geprägter in seinem evidenten Reformwillen immer wieder zurückrudern musste. Die Fehler, die er allerdings wirklich machte, sind, dass er die Gründe des Rückzugs nie erklärte und dass er im Allgemeinen zu wenig öffentliche Erklärungen abgibt. Es mag für ihn nicht ins Bild der Würde eines absoluten Machthabers passen, warum er anderen Rechenschaft schuldig sein soll. In der heutigen globalen Zeit, wo die Welt so klein erscheint, ist die "Erklärung" im Sinne von "Öffentlichkeitsarbeit" jedoch unerläßlich. Er mag denken, das sei ein Zugeständnis von Schwäche, es könnte seinen Anhängern nicht gefallen, sodass sie ihn nicht mehr Ernst nähmen, und er sich seitens Opposition angreifbar machte. Möglicherweise ist jedoch das syrische Volk mittlerweile schon demokratisch "weiter" entwickelt, sodass es diese Art von "Machtdemonstration" nicht mehr bräuchte. Vielleicht hat das der lange Krieg, das lange "Flüchten" durch die vielen Länder, ja bewirkt ...
SANFTER RELAUNCH ALS EINZIGE LÖSUNG
Andererseits ist es aber auch psychologisch erwiesen, dass sich autoritär sozialisierte Menschen – und das gilt ebenso für die strengreligiöse Erziehung - unter einem autoritären Leiter wohler und sicherer fühlen, während sie von einem Führer, der auf umsichtige Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen baut, kaum motiviert und befriedet werden können. Wahrscheinlich gilt also hier die Reformregel der Marktwirtschaft: jeder erfolgreiche Relaunch verträgt nur eine Erneuerung des Herkömmlichen um zehn Prozent. Eine Demokratie-Reform darf keinesfalls radikal geschehen, schon gar nicht unter fremdherrschaftlicher Führung. Hätte man diese Regel befolgt – die ja nichts anderes bedeutet als Respekt vor den aktuell lebenden Menschen in ihrem Land -, wäre der gesamte Arabische Frühling bis in die Gegend Afrikas glücklicher verlaufen. In diese Richtung denkt Vladimir Putin, womit er größeres Gespür für die Lage und die Region beweist als andere „missionierende“ Mächte.
... Man sollte die Leute daher einfach wählen lassen.
PSYCHOLOGISCHE KRIEGSFÜHRUNG DURCH MANIPULIERTE BILDER
Was ist nun aber mit dem Argument der Opposition, die offensichtlich – wie schon mit Christina Stürmer erwähnt – „alles und sofort haben will“, die ganze Illusion des Westens und seiner großen Möglichkeiten für den Einzelnen, die sie über das Internet vorgegaukelt bekommt. Paradoxerweise war es in Syrien der computertalentierte Assad, der für die technische Entwicklung des Landes im Kommunikations- und Informationsbereich sorgte. Ein Grund mehr, den Reformwillen Assads anzuerkennen.
Dieses Knowhow machte sich vor allem die syrische Opposition, unterstützt von NGOs des Westens, zunutze. Sie gilt als Gewinnerin des virtuellen Kriegs im Internet und der elektronischen Netzwerke. Wer in der psychologischen Kriegsführung gewinnt, indem er die Bilder des Krieges beeinflusst, hat auch Einfluss auf politische Entscheidungen. Selbst wenn so gut wie jede Meldung über „das Massenmörder-Regime Assad“ falsch, manipuliert und übertrieben dargestellt ist. Langsam wachen aber auch westliche Medien auf und betonen bei der Berichterstattung die „Möglichkeit des Geschehens“. Dieselben Regime-Schauermärchen gibt es jetzt über die jüngsten Russen-Einsätze - wie grotesk! So große eindimensionale Fantasie fällt selbst gutgläubigen Medienkonsumenten auf. Die Strategie mag höchstens noch wirken, wollen jene nicht zugeben, hereingefallen zu sein, wo sie doch nur für das Gute mitfiebern wollten.
EUROPA ÜBERNIMMT METHODE DER MEDIALEN ERPRESSUNG
Zu Beginn des Flüchtling-Ansturms in Ungarn, Österreich und Deutschland funktionierte die Methode der medialen Erpressung allerdings noch so gut, dass selbst betroffene EU-Länder versuchten, auf diese Weise politische Lösungen zu erzwingen. Schlichtes Beispiel: Der Schlepper-Kastenwagen mit den 71 toten Flüchtlingen, der auf der österreichischen Autobahn abgestellt wurde und sich die „Täter“ mit lächelndem Gesicht abführen ließen. Sie hatten nicht versucht zu fliehen oder das Auto unkenntlich zu machen, sondern konnten tags darauf zuhause in Ungarn abgeholt werden. In jenem Land, das die Toten zu diesem Zeitpunkt so gar nicht brauchen konnte, während sie Österreich sehr wohl brauchte, um in der EU nach einjähriger Quoten-Bittstellung bezüglich des Flüchtlingsproblems Gehör zu finden. Und sämtliche Medien spielten bei der Berichterstattung des Nicht-Nachfragens mit. Dann hört man auf einem Internet-Blog aus Syrien, dass ein Vater seine zwei dabei umgekommenen Söhne als Märtyrer preist und Europa für dieses Verbrechen zur Verantwortung ziehen will. Schwangere, Kinder, Söhne sind die Waffen der Fordernden und lassen sich als Druckmittel einsetzen. So weit, dass es bis zu EU-Milliarden-Zahlungen wie an die Türkei kommt. – An Länder, die nicht einmal in der EU sind. Und Geld, das wir direkt in eigene, höherentwickelte und nach innen und außen vermarktbare Wirtschafts- und Kulturprojekte stecken könnten, sodass wir nicht in diesem Ausmaß auf Wirtschaftsbeziehungen mit Drittländern angewiesen wären.
Darauf das Argument der unerschütterlich guten Europäer: „Ja, aber nicht alle sind so. Die meisten Flüchtlinge wollen doch nur leben und arbeiten.“
EUROPAS GUT-MENSCHEN AUF KULTURVERZICHT
100.000 gesinnungsmäßig einschlägige Menschen auf einem frei zugänglichen Voices for Refugees-Konzert können nicht irren, wenn sie fordern „Welcome Refugees!“ und Tausenden von potentiell bis zu mehreren Millionen Syrern, Afghanen, Irakern, Kosovaren, Pakistanern und Nordafrikanern eine Unterkunft samt Taggeld zur Verfügung stellen wollen. – Wer das allerdings wie zulasten von wem und wovon bezahlen soll, und wer was mit deren Heimat beabsichtigt, das überlegen sie nicht. Vielleicht sind sie aber auch nur Opfer ihrer eigenen Resozialisierung, die sie über ihre Eltern und Großeltern eingetrichtert bekommen haben. Von der US-amerikanischen Nation, die selbst jede Geschichte negiert, weil ihre eigenen Bewohner einst ihre kontinentalen Geschichten ablegten, um uneingeschränkt dem Kapitalismus zu frönen. Die meisten Superreichen leben bekanntlich in den USA, und der kulturelle Wissensstand ist im Bevölkerungsschnitt äußerst gering. Hochkultur ist in den Staaten eine Randerscheinung. Der hauseigene Terrorismus breitet sich aus. Und EU-Europa gleicht den Staaten dabei immer mehr. Das kolportierte Kulturland Österreich wird in Sachen Lebensstil und Kunst immer facettenärmer. Vor zehn Jahren waren in Lifestyle-Magazinen noch freie philosophische und identitätsbezogene Gedanken möglich, heute geht es nur noch um ideologische Solidaritätsbekundungen im EU-Einheitsbrei. Nur unter diesem Motto findet Kunst und Kultur überhaupt statt. So auch das Voices-for-Refugees-Konzert, das ausnahmsweise eine echte Leistungsschau niveauvoller, moderner Pop-Musik war. Dass eine qualitativ hochwertige österreichische Band wie Bilderbuch heute entstehen kann, grenzt an ein Wunder. Denn die Förderung junger, individueller und stilsicherer Musiker scheitert ja sonst an der unterbewussten politischen Einvernahme und gezwungenen Konformität der ganzen österreichischen Musikszene.
DIE EINSAMKEIT HINTER DER SOLIDARITÄT
Schönheit wird heute in der Regel also zur Oberfläche degradiert. Und Fragen der integrierenden Solidarität verkommen in der oberflächlichen Schönheit. Bürgermeister Häupls einleitende Sätze in seiner Dankes-Anzeige an die Flüchtlingshelfer, „Solidarität und Menschlichkeit – Das sind in Wien keine leeren Worte. Zusammenhalt wird bei uns gelebt“, sehen im Wiener Alltag geradezu ironisch aus:
In der Regel ist man als Österreicher im öffentlichen Bereich in der Minderheit. Beginnt ein Österreicher von seiner kulturellen Tradition zu erzählen, wird ihm der Rücken zugekehrt. Im zwischenmenschlichen Bereich bilden sich die traditionsbedingten Klüngel unter jenen, die herkunftsmäßig einen Konnex herstellen können. Da spricht die Ukrainerin doch lieber mit der Russin. Und ist die Russin nicht anwesend, wird die Rumänin vorgezogen, auch weil sie mit ihr den Deutsch-Kurs besucht hat. Die Gespräche kreisen generell um Lebenserhalt und Pflichten, um Kindererziehung im integrativen Schulalltag. Allem anderen wird die Aufmerksamkeit entzogen.
Es sei denn, der Österreicher fragt nach den kulturellen Eigenheiten der Menschen aus den anderen Ländern, da wird dann stolz, und fallweise mit Hinweis auf die angeblich korruptere Politik und industrielle Rückständigkeit in ihrer Heimat, berichtet. Dasselbe spielt sich in der Kunst ab: Geschätzt werden „heimatlose“ Künstler, die als Flüchtlinge und deren Nachfahren über ihre verlorenen und doppelten Identitäten klagen. Direkte Heimatliebe wird in der Kunst hingegen gar nicht und im Kulturbereich ausschließlich über die Folklore zelebriert. Für alles andere gibt es keinen „Markt“, weil man ihn trotz seines großen wirtschaftlichen Potentials nicht zulässt.
Ergibt sich zwischenmenschlich unter den vielen Menschen verschiedenster Herkunft durch die Vielbegegnung dann doch einmal ein wohlgesinntes Gespräch, erschöpft es sich in den kulturellen Unterschieden hinsichtlich der Sicht auf moralische und politische Themen sowie auf herkunftsmäßige Temperamente. Das gegenseitige Misstrauen bleibt trotz Respekts bestehen. So bleiben sachbezogene Differenzierungen auf der Strecke, weil es nie zu einer Vertiefung von Themen, Sichtweisen und Wissen kommen kann. Geschweige denn zu einem gemeinsamen Tun im Sinne von „Schaffen“. Jedem ist die Einsamkeit, die Entwurzelung, die Entfremdung von sich selbst, anzusehen. Die Höherentwicklung des Alltags ist auf Eis gelegt.
VOM UNTERSCHLAGENEN "WO KOMME ICH HER" ZUM „IS“
Eltern österreichischer Herkunft müssen sich damit abfinden, dass ihr Kind mitunter nie oder nur vielleicht mit anderen österreichischen Kindern zusammen kommen wird. Konkret stimmt es tatsächlich, dass ein Wiener Kind bis zu seinem sechsten Lebensjahr noch nie einen Wiener Spielkameraden hatte. Verloren gehen so neben der Wiener Mentalität unterbewusste Gefühle der Zusammengehörigkeit und spontane, vertrauensvolle Momente, sodass das gemeinsame Spiel gleich auf einer höheren Ebene stattfinden kann. Die Annäherung wird viel mehr künstlich wie in einer psychologischen Als-ob-Spielszene von außen oder durch eine Autoritätsperson herbeigeführt. Es sei denn, die von überall herkommenden, in Österreich zusammen geworfenen Kinder finden ihren gemeinsamen Nenner ihres Identitätsbewusstseins woanders: nämlich im deutschen Kinderfernsehen mit zugekauften amerikanischen Serien. Wenn unter Europa Deutschland verstanden wird, sind wir also auf dem besten Weg, deutsch-amerikanische Europäer zu werden. Sollte den Syrern diese Perspektive gefallen, dann also „herzlich willkommen“. Angeblich legt die syrische Kultur großen Wert auf Familie, Religion und das eigene Vorwärtskommen. Das scheint zwar der komplette Gegensatz zur gegenwärtigen Nivellierung aller Herkunft-Vielfalt zu sein; sie lässt sich aber sicher durch die Idee der „Einkaufsmöglichkeit bei Massenprodukt-Vielfalt“ ersetzen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass bei den Syrern früher oder später – wie bei jedem Menschen – Gedanken der Identität aufkommen. Wo komme ich her, wo gehe ich hin? Dann ist es nicht weit zu einer neuen Form von IS oder eben IS.
EINE WELTSTADT LEBT NUR MIT PERSONALISIERTER VIELFALT
Keine Frage, eine Weltstadt lebt von der Vielfalt der Menschenarten und der Inspiration des Fremden. Damit sie aber auch davon profitieren kann, sollten alle Bewohner wissen, woraus diese Vielfalt besteht. Die Kultur eines jeden Schulkindes gehört vor den Mitschülern besprochen. Am besten wäre statt Religion die Einführung des Unterrichtsfachs "Kultur“ mit atmosphärischen Bildern und Filmen über die Länder und deren Kunstentwicklung bis in die gegenwärtige Moderne. Sollte der Glaube die Errungenschaft eines Landes beeinflusst haben, könnte die Religion mitbesprochen werden. Eine auf Weiterentwicklung orientierte Gesellschaft darf nicht verabsäumen, ihre Mitmenschen – und nicht etwa einen Gott - für ihre Handlungen verantwortlich zu machen und muss ihnen in Aussicht stellen, dafür Wertschätzung erfahren zu können.
JEDEM EU-LAND SEINE KULTUR UND IDENTITÄT
Andererseits ist zur Wahrung der Vielfalt der EU-Länder und ihrer Kulturen auch deren Pflege nötig: indem man sie als Besonderheit hervor hebt. Es reicht nicht, die rechtsstaatlichen Eigenheiten zu unterrichten. Das Argument, in jedem Österreicher und Kulturmerkmal stecke ja bereits ein Migrantenschicksal, dient nur als Instrument der Erniedrigung und Unterwerfung. - Wer sich als Österreicher fühlt, erkennt den Österreicher auch im anderen: am Humor, am vertrauten Unterton der Sprache, an der Distanz, am Respekt; und selbstverständlich an der einverleibten Kultur- und Kunstgeschichte. Österreich ohne Österreich und Österreicher macht keinen Sinn, das entspräche im Gegenteil einem Rausverkauf.
Den Erhalt eines Landes, auf das man stolz ist, garantieren insofern mehr Einheimische als Einwanderer. Dasselbe wünschen sich auch die Einwanderer. Kein Pole möchte hier in den Einwanderertopf geworfen werden, er will Pole sein, hauptsächlich von Österreichern und deren Sprache umgeben, um letztlich der deutschen Sprache ebenso fähig zu sein wie seiner Muttersprache. Nur so ein Zugang ist in Wahrheit menschenfreundlich. Wo man niemanden unterordnet, sondern in seiner Gesamtheit und ohne Argwohn wahrnehmen kann.
Derzeit ist es so, dass sich ein Einwanderer gar nicht sicher ist, in welche Richtung er sich integrieren soll, weil die Einheimischen im Alltag kaum präsent sind. Nur in klar geregelten Verhältnissen kann es zu einer Höherentwicklung Europas, bestehend aus persönlichkeitsstarken, produktiven Individuen kommen. Die Idee von einer EU „frei von religiösen und ethnischen Zwängen“, die sich ja nur von der Idee der USA ableitet, gehört in Hinblick auf „frei von religiösen Zwängen, aber mit Stolz auf die eigene ethnische Herkunft“ korrigiert. Das sollten wir spätestens heute akzeptieren, um noch mehr Leid zu verhindern. Und um uns nicht in einem Polizeistaat über einem verwilderten Menschen-Urwald wieder zu finden.
KEINE MISSION OHNE RESPEKT VOR DEM ANDERSSEIN
Derselbe Respekt gebührt schließlich Drittstaaten und ihren gewachsenen Kulturen und Regierungen, über die zu richten sich die EU im globalen Machtgefüge nicht anmaßen sollte. Wenn schon missionieren und gemeinsam wirtschaften, dann weniger egozentrisch und mit echter Akzeptanz fremder Lebensrealitäten.
Text: Elfi Oberhuber