Tuesday, January 23, 2007

MIXER LOIS RENNER UND REMIXER GEORG BASELITZ - ZWEI ZEITGENOSSEN "BAROCKEN" FORMATS

Lois Renner (©) mit seiner aquarellhaft gemalten Fotografie-Barockfigur: Faun (aquarell) 2, 2006, Technik: C-print/Plexi/Dibond, 60x54cm


WENN EIN MIXER UND EIN REMIXER ETWAS GEMEINSAM HABEN, DANN IST DAS DAS GEWISSE ETWAS AN NEUHEIT, NIVEAU UN
D EINZIGARTIGKEIT: LOIS RENNER UND GEORG BASELITZ SIND EIN ALTER UND EIN NEUER ZEITGENOSSE MIT JEWEILS BAROCKER STRAHLKRAFT IM GENRE-ÜBERGRIFF.

Georg Baselitz und Lois Renner - zwei unterschiedliche Generationen in unterschiedlichem Genre? Ja, dennoch: So konkret sie inhaltlich in ihren Aussagen bei ihren Bildern sind, so nebensächlich scheint ihnen der Inhalt zu sein. In Wahrheit ist es die technische Form, um die es beiden geht. Und das Wunderbare dabei ist, dass bei Baselitz ein Ölbild neuerdings wie ein Aquarell oder eine Zeichnung, bei Renner die Fotografie wie Malerei aussieht - in beiden Fällen auf einzigartige - bei aller Modernität - kostbar und ernsthaft "barocke" Weise.

Sowohl Baselitzs als auch Renners Werke kommen erst im Angesicht richtig zur Geltung: wenn der Besucher direkt vor den Bildern steht. Dann erkennt er ihren Wert und ihre Besonderheit. Renner ist allerdings - da jünger - noch einen Schritt weiter, da er mit Fotografie und digitaler Bearbeitung medienübergreifend arbeitet, während Baselitz ausschließlich innerhalb der Malerei technikübergreifend bleibt.

REMIXER GEORG BASELITZ

Dabei benennt Baselitz (geb. 1938) aber ironischerweise seine Werkserie, die gerade in der Wiener Albertina hängt, mit dem digitalen Titel Remix. Tatsächlich hat er dabei "nur" frühere Arbeiten malerisch neu bearbeitet, um sie, wie er selbst sagt, "leichter" aussehen zu lassen und auch "schneller" zu gestalten. Baselitz: "Ich habe jahrzehntelang "schwere" Bilder gemauert: Schicht auf Schicht. Ich wollte schneller Bilder malen können, habe es aber einfach nicht zu Wege gebracht. Jetzt ist es mir gelungen, innerhalb einer Stunde Bilder zu malen! Die müssen dann leicht sein." Zu funktionieren schien es ihm endlich nach einem Besuch bei der Leipziger Schule, wonach sich Baselitz malerisch und zeichnerisch neu zu hinterfragen begann. So ist etwa der 1963-er Malskandal - das onanierende Kind mit Riesenpenis, das einen, sich auf diese Weise Aufmerksamkeit verschaffenden, Poeten darstellt - des selbstbezeichneten ewigen Außenseiters Baselitz in Die große Nacht im Eimer jetzt als "Remix" lockerer gemalt und dafür eindeutig mit einem genau gezeichneten Hitler-Bärtchen versehen.

Ebenso ging Baselitz bei weiteren Bildern seines Frühwerks vor, das er ab Ende der 60er Jahre in seinem heutigen Markenzeichen - auf dem Kopf stehend - präsentierte. - Damals wollte er damit die malerische Form, nicht den Inhalt betonen. Selbst wenn er dabei stets Selbstkritik hinsichtlich der eigenen deutschen Geschichte übte. Jetzt geht es Baselitz um eine farbenprächtigere, flächenhaft auffälligere Bildaufteilung, in aquarellhaft in Öl gemalter, lockerer Form, wobei der Inhalt aber durch subtile Details wie etwa spitz gesetzte Hackenkreuze besticht - zum Beispiel auf Knie und Hand der zwei Männer im Bild Die großen Freunde (Remix), 2006.
60 Arbeiten auf Papier - Tuschzeichnungen und Aquarelle veranschaulichen das Herantasten des Malers an diese remixten alten, neuen 28 Gemälde bzw. deren neuerliche Hinterfragung nach dem Remixen.

Das auffälligste von Georg Baselitz Remix-Werken ist sein Ausgangsbild Die große Nacht im Eimer, 1962/63, Öl auf Leinwand, 250 x 180 cm Museum Ludwig, Köln, © Georg Baselitz (Foto: Jochen Littkemann, Berlin)

Im Remix-Zustand ist Georg Baselitzs Die große Nacht im Eimer (Remix), 2005 - das onanierende Kind samt Hintergrund - leichter und farbenfroher, dafür bekam es ein Hitlerbärtchen. Öl und Kohle auf Leinwand, 300 x 250 cm, Besitz des Künstlers, © Georg Baselitz (Foto: Jochen Littkemann, Berlin)

Danach zeichnet Baselitz abermals eine Neuinterpretation, wie hier: Ohne Titel, 29. Februar 2006, Tuschfeder auf Papier, 66,4 x 50,3 cm, ALBERTINA, Wien / Dauerleihgabe der Sammlung Rheingold, © Georg Baselitz (Foto: Jochen Littkemann, Berlin)

Aquarell-Überlegung mit zeichnerischer Kombination von Georg Baselitz, Ohne Titel, 23. April 2006, Tuschfeder, Aquarell und Tusche auf Papier, 66,3 x 51,5 cm, ALBERTINA, Wien / Dauerleihgabe der Sammlung Rheingold, © Georg Baselitz (Foto: Jochen Littkemann, Berlin)


Das Aquarell in Öl übertragen: Georg Baselitz, Die großen Freunde (Remix),2006, wobei die Hackenkreuze aber spitzfindig pointiert auf Knie und Hand gesetzt sind. Öl auf Leinwand, 300 x 400 cm, Privatsammlung, Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, © Georg Baselitz (Foto: Jochen Littkemann, Berlin)

MIXER LOIS RENNER

Brachte der teuerste Baselitz bei Christie's 2006 in London (Ein Roter, 1966) 1,8 Millionen Euro ein (und dann inoffiziell noch doppelt so viel durch Weiterreichung in amerikanischen Privatbesitz, dem Hauptabsatzmarkt von Baselitz, was auch die starke Präsenz von Amerikanern während der Albertina-Eröffnung erklärte), so muß man sagen, dass objektiv gesehen, Lois Renners Arbeiten genauso viel, wenn nicht sogar, noch mehr wert sein müßten. Denn seine Technik ist noch komplexer und vielschichtiger. Auch die mediale und internationale Resonanz beweist das: So wurde der 1961 geborene Salzburger Renner anläßlich seiner bis 28. Februar 2007 in der Galerie Mario Mauroner Contemporary Art Vienna vom Art Magazine zum "Künstler des Jahres 2006" ernannt, wird er von von 15.-19.Februar 2007 auf der ARCO 07 in Madrid, und ab April im ACFNY in New York zu sehen sein. Seine jüngst geschaffenen Hybride vereinen Malerei und Fotografie und die dadurch geschaffenen Realitäten, während sie auf vollkommen neue Art und Weise die Grenzen zwischen den Medien niederreißen.

Renners eindrucksvollen Gemälde zeigen sein Atelier, allerdings auf eigentümlich surreale Weise, indem Alltagsausschnitte oder barocke Motive auftreten. Oftmals mischt er auch noch sich selbst darunter. Es geht inhaltlich daher um sein Innenleben, seine Gedanken bezüglich dieser Welt, die so vielfältig und widersprüchlich ist. Auch die Form der Umsetzung spiegelt das. “Die Fotografie verwende ich wie eine Taschenlampe, mit der ich in mein Inneres leuchte. Die Malerei entsteht aus dem, was ich bei der Suche dort gefunden habe”, beschreibt der Künstler seine Arbeitsweise. Genau genommen setzt er Fotografie, Malerei und digitale Gestaltungsmittel in Bezug zueinander, wobei die Fotografie sich die Malerei zum Vorbild nimmt, und digitale Medien diese analogen Gestaltungsmittel unterstützen und hinterfragen, während die Rolle des Bild-Künstlers hinterfragt wird. Am Ende entstehen Tafelbilder eines Maler-Bildhauer-Installationskünstler-Architekt-Fotografen.

Lois Renner(©) mit abermals direkter Barockanspielung bzw. -hinterfragung in seinem Foto-Malerei-Gemälde Venus, 2006, Technik: c-print/Plexi/Dibond, 208x180cm

Lois Renner(©) und seine plötzlich im Atelier neben sich auftretetenden Alltagserscheinungen, die in diesem Umfeld interessant deplatziert wirken, und darüber nachsinnieren lassen, ob sich dieser Künstler manchmal so fühlt: Havanna, 2006, Technik: c-print/Plexi/Dibond, 180x268cm

Lois Renners(©) Faun (aquarell) 2, 2006, wo nun der gemalte Faun in die Atelier-Installation gestellt wird. Hier hat das Bild eher Fotografie-Charakter, selbst wenn es nicht (nur) so ist. Technik: C-print/Plexi/Dibond, 60x54cm

Lois Renners(©) Öltod hoch, 2005, wo die Malerei im Vordergrund zu sein scheint. Technik: C-Print/Diasec, 225x180 cm


AUSSTELLUNG LOIS RENNER Hybride Installation – Malerei – Fotographie * Ort: Galerie Mario Mauroner Contemporary Art Vienna * Zeit: bis 27.01.2007
AUSSTELLUNG LOIS RENNER * Ort: ARCO 07 Madrid * Zeit: 15.-19.Februar 2007
AUSSTELLUNG LOIS RENNER * Ort: ACFNY New York * Zeit: April 2007

AUSSTELLUNG GEORG BASELITZ REMIX * Ort: Albertina Wien * Zeit: bis 24.4.2007

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