Sunday, February 25, 2007

EINWANDERER UND AUSLANDSKUNST - ZWISCHEN POLIT-UTENSIL, SEX UND STILVOLLENDUNG - CHERKAOUI & KHAN, MACRAS BIS KOREA

Koreaner © min hwa, Choi Chul-hwan hat zwar kein Immigranten-Schicksal, er dient aber wie die ganze Korea-Ausstellung in der Kunsthalle guten Politik-Kontakten. Hier: Pink-My Life as a Shit, 1993, Collection National Museum of Contemporary Art, Korea.


OB MAROKKANER IN BELGIEN, INDER IN GROSSBRITANNIEN, ARGENTINIER IN BERLIN - SIE ALLE FINDEN DURCH DEN HEIMAT-VERLUST ZUR EIGENEN KUNSTSPRACHE MIT PROFIL. DAS RESULTAT IST DER ERFOLG, WAS MIT BETONTER PR AUCH GLEICH POLITISCHEN AUSLANDSZWECKEN DIENT. ÜBER KOREA SCHWEBT AUSSERDEM NOCH DIE NOTE DES SEXTOURISMUS, ABER AUCH DAS FÖRDERT BEKANNTLICH DIE WIRTSCHAFT. ALSO ALLES IN POLITISCHER BUTTER.

Im globalen Zeitalter ist es von Vorteil, Einwandererfamilie zu sein. Also nichts wie ins Ausland. Höchstwahrscheinlich schaffen es dann Kind und Kegel in ein, zwei Jahrzehnten, von Österreichs Bundespräsidenten, dem alt-österreichischen Adelsgeschlecht oder von Theater-, Performance- und Künstlerinitiativen im weltweiten "Ausland" wahrgenommen zu werden. Aus dem Ethnotrauma gibt es erwiesenermaßen Schöpferisches herauszuholen. Kunst von höchster Qualität, wie beim genialen Tanz-Duo Akram Khan & Sidi Larbi Cherkaoui im Tanzquartier Wien, bei der spektakulären Constanza Macras und ihrer Gruppe Dorky Park im Wiener Schauspielhaus, in der Skulpturenausstellung der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary sowie in der Koreakunst-Ausstellung in der Kunsthalle Wien.

Diese Künstler tragen aber auch den Mantel des "politischen Programms", indem sie zum internationalen Wirtschaftsaustausch beitragen und für "good mute under political friends" sorgen - die utilitaristische Pille, die sie alle zu schlucken haben. - Während also Meinungsmacher vor Umfragen, wonach sich das Meinungsklima bezüglich EU und Globalem im Volk verschlechtere, geradezu marktschreierisch auf die viel stärkere Mobilität der europäischen Völker während der Monarchie-Zeiten hinweisen, was auch heute Sinn mache, da Europa sonst veralten und sein Sozialsystem unfinanzierbar würde, interpretieren etwa im Museum für Volkskunde in Wien international bekannte Künstler aus Österreich, Slowakei, Ungarn, Polen, Ukraine die - 1875 vom Wiener Bildhauer Karl Pekary in Czernowitz aufgestellte - Austria-Statue hinsichtlich eines "Symbols für Europa" länderspezifisch neu um. - Im Sinne des guten gegenseitiges Klimas aber lieber weder EU-Kunst, noch Global-Kunst hinterfragen! Selbst wenn ohne die Herkunfts- und Heimatslitanei noch immer die Kunst der Künstler übrig bliebe - ohne Abstriche. Denn die Ethnie besteht als Kunstausdruck auch, wenn sie nicht als Öffentlichkeitsarbeit betont wird, da sie dem Menschen und seiner Ausdrucksweise immanent ist. - Würde sie "ohne" aber noch die Repräsentanzen des Staates anlocken? - Kaum. Vor allem nicht, wenn der prosperierende asiatische Raum involviert ist, der für die Wirtschaftsbeziehung von so großer Bedeutung ist.

Dass Bundespräsident Dr. Heinz Fischer unter Film- und Fotobeschuß durch Tanzquartier und Kunsthalle marschierte, war in zwei Fällen der Beweis für diesen Staatsakt von einer Kunst. Nun ja, vielleicht sind Sidi Larbi Cherkaoui und Akram Khan und die koreanischen Künstler hinsichtlich des West-Ost-Austauschs ja gerne von politischem Nutzen, das kann durchaus sein. Das Statement für die Vereinigung von westlicher Klassik und perfekt beherrschter, östlicher Kunsttradtion äußern sie in Ihrem Schaffen zumindest formvollendet mit größter Hingabe und Bestimmtheit: die einen als zeitgenössische Kathak-Ballett-Tänzer, die anderen als postmodern-narrative Konfuzius-Feinmaler bzw. Bevölkerungsfotografen.

Kaufen wir Österreicher also bereits schon mit Begeisterung Asia- und Menschen-Ware, die nicht nur gut, sondern auch super günstig ist, kann nun auch der Respekt vor der holden Asia-Kunst wachsen. Die Spekulation der Regierung dabei mag wohl anders gelagert sein: nämlich dass die Asiaten im Gegenzug schon auch Österreich-Kunst in ihrem Land zeigen mögen, damit für unseren Staat auch die Export-Bilanz stimmt. Ungeachtet dessen, dass es sich bei mindestens 50 Prozent von diesen hier vorgestellten Künstlern um "Asiaten" handelt, die im Westen geboren oder aufgewachsen sind oder arbeiten. Ziemlich auffällig, dass dennoch stets das Land der (Ur-)Ahnen repräsentiert werden muß. - Welch heitere Schublade!

SIDI LARBI CHERKAOUI UND AKRAM KHAN KÖNNTEN AUCH OHNE ETHNO-PR ÜBERZEUGEN

Die Immigranten-Künstler werden regelrecht in diese Schublade gestoßen, wie der Erzählung des Mitte der siebziger Jahre in Großbritannien als britischer Staatsbürger geborenen "Inders" Akram Khan im High-Noon-Online-Interview des Tanzquartiers zu entnehmen ist: "Meine Mutter sagte mir, ich hätte heimweh, wo ich doch keine andere Heimat als London kannte. Ich war recht naiv, denn ich war noch ein kleines Kind und sagte: "Von welcher Heimat sprichst du?", und sie sagte: "Von meiner Heimat Bangladesh." Ich war verwirrt darüber, dass sie eine andere Heimat hatte und konnte dazu keine Verbindung herstellen, da ich nicht wußte, was diese Heimat sein sollte. So dachte ich, um sie zu trösten, würde ich einmal Pilot werden. Sie wollte immer einmal zurück fliegen. Ich denke, sie vermißte ihre Heimat sehr." - Es war also nicht Akram Khans eigenes Bedürfnis, die indische Seite in sich zu entwickeln, sondern die Liebe zu seiner Mutter, warum er parallel zum zeitgenössichen Tanz den indischen Kathak erlernte - wobei jedoch keiner seiner Lehrer mit ihm zufrieden war, da er alles vermischte. - Heute ist es Akram Khans Markenzeichen sein eigenes Profil aus dieser Fusion entwickelt zu haben.

In der Produktion zero degrees, die Khan nun mit dem ebenfalls als flämischer Marokkaner-Einwanderer gefeierten Tanzstar Sidi Larbi Cherkaoui geschaffen hat, geht es um eine Zugfahrt Khans durch Bangladeh, wobei Cherkaoui so etwas wie sein westliches Alter Ego darstellt, das noch zusätzlich klassisches Ballett und Yoga einbringt, was ihnen - körperwindend stark und leicht zugleich - hilft, innere Kämpfe mit sich selbst auszudrücken. Im Zug wird Khan nach seinem Reisepaß gefragt, worüber er sehr erzürnt ist. Das erzählen sie im Sprechgesang, absolut synchron, einschließlich der "ähs" und Kopfkratzer zwischendurch. Sie "fahren" also in minimalistisch rasantem Kreistanz zu rhythmischer Geige und indischem Gesang los, und geraten in Streit - der Westen mit dem Osten -, sodass sich Cherkaoui lieber an eine Puppe hält und mit ihr seine Auseinandersetzung forsetzt bzw. auch alleine tanzt. So geht es im Sprech- Tanzsolo-und-duo-Wechsel weiter, und endet mit einem Appell für Akzeptanz und Anteilnahme, Hilfeleistung und gegenseitige Verantwortung: denn zwischendurch stirbt auf der Fahrt ein Mann, was die Außenwelt kaum kümmert.
Egal, was die Geschichte erzählt: genial ist die Körperbeherrschung und Musikalität der beiden Tänzer, so, wie ihre Bewegungen in der Musik aufgehen, in Schwung und Virtuosität der indisch-westlich-klassischen Live-Musik des ebenfalls brit-indischen Komponisten Nitin Sawhney. Hier haben Künstlergrößen zu einer Symbiose gefunden, die in ihrer Qualität alles bisher gegebene im Tanzquartier schlägt. Ein absolutes Highlight, wozu es eigentlich keine Ethno-Zusatzerklärung bräuchte.

Der indische Brite Akram Khan und der marokkanische Belgier Sidi Larbi Cherkaoui wären auch ohne Ethno-PR genial: Als Tanzkünstler. Ihr Gemeinschaftswerk zero degrees freute den Bundespräsidenten... Foto © Tristram Kenton

CONSTANZA MACRAS UND IHRE HEIMAT-VERLASSENE KOREANERIN - ZUM FÜRCHTEN

Von echten Immigranten-Existenzen, die sich darüber völlig im Klaren sind, dass sie in ihrer ursprünglichen Heimat noch unglücklicher wären als da wo sie jetzt sind - nämlich in Berlin -, handelt I´m Not The Only One der argentinischen Choreografin Constanza Macras und ihrer Company Dorky Park. Sie arbeitet ebenfalls mit einer blendenden Live-Rock-Jazz-Band.
Ein Franzose, der als Biedermann großartige Deutsche Knut Berger, ein Israeli, eine Amerikanerin und ein Amerikaner, sowie eine Süd-Koreanerin sinnieren im ersten Performance-Teil über ihre "halben Existenzen" nach, wobei sich heraus stellt, dass es beim Auswandern im Grunde um das Erfüllen höherer Wünsche geht - was - evident an einer selbstquälend brutalen Wix-Szene eines Tänzers - selten eintritt, man aber aus Sturheit und Hoffnung daran festhält. Der zweite eher getanzte Teil ist dann so extrem, dass er das Stück fast scheitern läßt: indem nach einer grausigen Tortenschlacht, Essensreste auf den Tänzerkörpern und Sahnegeruch die ganze Aufführung über erhalten bleiben.

Doch, so nebensächlich es klingen mag, gibt eine Darstellerin in der Performance dann anhaltend zu denken, was auf den ganzen politischen Hintergrund noch einmal ein weiteres Licht wirft: das der Sexprojektion bezüglich des asiatischen Raums. Es handelt sich dabei um die Koreanerin Hyoung-Min Kim. - Wer auch immer sagen sollte, dass die Asiatinnen sinnlichere, nettere, gemütlichere, pflegeleichtere Frauen seien als die Europäerinnen, der wird hier eines Besseren belehrt. Charmanter wäre da schon die Kanadierin Gail Sharrol Skrela, die - zu wundersamen Körperverbiegungen fähig - die "beste" Tänzerin der Truppe ist. Hyoung-Min Kim dagegen scheint eine richtige Kampfmaschine zu sein. Sie spuckt den Männern ins Gesicht und steigt auf ihren sensiblen Körperstellen herum. Vor der muß ein Mann auf der Hut sein. Wenn sie erst einmal anfängt zu schimpfen und zu kreischen, oder die Zähne zu fletschen, vergeht dem potentiellen Sextouristen die Fantasie von einer uniformierten Schulmädchenaffaire.
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Die Koreanerin Hyoung-Min Kim von ConstanzA Macras Company Dorky Park ist im autobiografischen I´m Not The Only One eine Frau, die einem Mann sämtliche Schulmädchen-Fantasien austreiben könnte. Fotos ©: Thomas Aurin

KOREANISCHE SEXFANTASIE - STIMULATION FÜR EUROPÄERINNEN UND EUROPÄER


Dass die Schülerinnen in ihren Schulkleidchen aber zum kulturellen Selbstbild der Koreaner(innen) gehören, erfährt man in der Kunsthalle Wien im Werk des koreanischen Fotografen Oh Hein-kuhn, sowie der in Amerika aufgewachsenen und jetzt in Seoul lebenden Koreanerin Sunny Kim. Während die naturalistischen s/w-Fotos des ersten sinnlich ambivalente Mädchen zeigen, die - obwohl peinlich berührt - ihr männliches Publikum zu verführen wissen, sind die Charaktere bei der nostalgisch bearbeitenden zweiten ausgelöscht, um das staatliche "Pflichtbewußtsein" zu konterkarieren.

Diese südkoreanischen, amerikanisch sozialisierten Künstler schießen generell gegenüber dem kommunistischen Norden spitze Pfeile ab, wie im Werk Cunnilingus in North Korea von Young-Hae Chang Heavy Industries deutlich wird. Es ist die Antwort auf die Bitte des dortigen Führers, "zu beachten, dass im Kommunismus, dank der Aufhebung der Ungleichheiten zwischen Mann und Frau, die nordkoreanischen Männer im Bett ausgeprochen gut sind, da sie den Oralsex als dialektische Sache verstehen. - Lang lebe der nordkoreanische Oralsex." - Insofern sollte man den Sextourismus vielleicht einmal unter den europäischen Frauen bewerben. Dann gingen die EuropäER nach Thailand, die EuropäerINNEN nach Nordkorea. - Wie gut für den Wirtschaftsaufschwung, was den Kreis wieder schließt!


Foto ©: Oh Hein-kuhn zeigt die Schulmädchen, so wie sie sind: schüchtern, sich ihrer Wirkung auf Männer aber bewußt: aus der Serie girl’s act, Kim Na-ri, age 18, 2003, Courtesy der Künstler/the artist

Schulmädchen, deren Charaktere verfremdet wurden, um das Konfuzius-geprägte Pflichtbewußtsein zu hingerfragen: von der amerikanisch-koreanischen Künstlerin Foto ©: Sunny Kim, Untitled, 2002, Courtesy die Künstlerin/the artist

Einen koreanisch-amerikanischen Skulpturkünstler jenseits der Sex- dafür Buddhismuskonnotation, hat Francesca von Habsburg unter ihren neuesten Skulpturkunst-Diskursen aus aller Welt eingeladen; alle faßt sie unter dem Ausstellungstitel This Is Not For You zusammen. Kommen die spannendsten Arbeiten ansonsten aus Großbritannien und Deutschland, die besten Skulpturen vom norwegisch-dänischen Künstlerpaar Michael Elmgreen und Ingar Dragset, indem sie Räume und Objekte in neue narrative Bedeutungszusammenhänge setzen und so Umdeutungen schaffen, so hat besagter Do-Ho Suh seine Übersiedlung in die USA in Form eines "Gates" umgesetzt: ein transparentes, genähtes Textilgebilde, das für seine fragile, durchsichtige Erinnerung an seine kulturelle Heimat steht.

Südkoreaner Do-Ho Suh, der in den USA lebt, mit Gate - 2003 Silk and stainless steel tube, 327 x 212 x 100 cm, T-B A21 Collection Foto ©: Courtesy Lehmann Maupin, New York..

Anders wirkt wieder das Werk der Chinesin Chen Qiulin, die einen kompletten, naturalistischen Frisör- und Massageladen im Hof der T-B A21 aufgestellt hat, nachdem man ihn wegen Naturkatastrophen aus ihrem eigenen Dorf umsiedeln mußte. - In solchen Salons, die es in China, wie in Korea gibt, soll´s bekanntlich ziemlich zugehen - selbst wenn das in dieser Arbeit nicht so gemeint ist ...

Chinesin Chen Qiulin hat unter dem Titel Migration - Peach Flower Orchard / Color Lines, 2005–06, A Long March Project einen kompletten Massagesalon nach Wien transportiert. - Mixed media installation, single-channel video projection, 8 min 8 sec, color, sound Dimension variable Foto © Long March Space, Beijing

Asien - das Land der sexuellen Träume. Es ist wohl eine Tatsache, dass das die erste europäische Assoziation bei diesem Kontinent ist. Selbst wenn die Ausstellungs- und Kunstmacher noch so viel Zusätliches oder Anderes davon zeigen - man kommt immer wieder darauf zurück. - Selbst wenn es den Auslandsbeziehungen nicht helfen wird - oder etwa doch? Oder eben gerade deshalb?
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Das norwegisch-dänische Künstler-Duo Michael Elmgreen & Ingar Dragset läßt in Inside / Powerless Structures, Fig. 334, 2003, den Spion nicht nur durch den Spion in den Raum schauen, sondern eigentlich den Besucher ins Auge des Spions - subtil.
Wax head, metal door with peephole, 218 x 115 x 50 cm, T-B A21 Collection, Foto ©: Michael Strasser / T-B A21




AUSSTELLUNG THIS IS NOT FOR YOU. Diskurse der Skulptur * Ort: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Himmelpfortgasse 13, 1. Stock, A-1010 Wien * Zeit: bis 29.4.2007, EINTRITT FREI
AUSSTELLUNG Elastic Tabuus, Koreanische Kunst der Gegenwart * Kunsthalle Wien/halle 2, Museumsquartier * Zeit: bis 10.6.07
AUSSTELLUNG BRÜCKEN:SCHLAG - Die Heimkehr der "Austrias" nach Europa * Ort: Österreichisches Museum für Volkskunde * Zeit: 2.3.-29.4.2007 * Link: www.volkskundemuseum.at

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