Tuesday, September 19, 2006

MOZART WAR IN WAHRHEIT TÜRKE, JAZZER UND ZWÖLFTONTECHNIKER




Photo: Ensemble in Saray // Mozart alla turca, der türkischen Version von Mozarts Entführung aus dem Serail im Schauspielhaus (© N. Mangafas)


DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL LÄUFT IM SCHAUSPIELHAUS WIEN NICHT "AUF" SONDERN "ALS" TÜRKISCH /

Es ist schon erstaunlich, für wen der gute alte Mozart dieser Tage alles herhalten muß.


Im Wiener Schauspielhaus etwa, sagt uns Regisseur Ibrahim Quraishi in Saray // Mozart alla turca, dass man die Figuren aus Mozarts Die Entführung aus dem Serail - wo normalerweise westliche Frauen von einem orientalischen Pascha geraubt wurden - verkehren kann, sodass jene Frauen zu Türkinnen werden und der Machthaber zum Alt-Westeuropäer. Und die Frauen werden dann nicht von einem Westmann, sondern einem Türken befreit. Wiener-Mozartjahr-Intendant Peter Marboe meint dazu: "Das Stück war schon zu Mozarts Zeiten ein Statement", was auch noch ein echtes Mozart-Wort aus dem Jahr 1785 zu unterstreichen scheint: "... das wäre Ja ein Ewiger Schandfleck für teutschland, wenn wir teutsche einmal mit Ernst anfiengen teutsch zu denken - teutsch zu handeln - teutsch zu reden, und gar teutsch - zu Singen!!!" Was will uns das sagen? Dass wir in Wahrheit alle gleich sind? Nein. Dass sich die westliche Diskussion um kulturelle Unterschiede zu sehr aus Ängsten speist, die wiederum auf Klischees, Vorurteilen und Fehlinterpretationen beruhen. Im Ensemble selbst, in dem Komponist Serdar Yalcin auch noch Mozarts Noten und Instrumentation "vertürkischt" hat, konnte man sich übrigens während der türkisch-österreichisch-deutsch-sprachigen Proben gut verständigen. - Na, wenn man wirklich will, dann klappts ja!
(click auch Schauspielhausdirektor AIRAN BERG im --> INTERVIEW)


DEPART
VERJAZZT MOZART IN DER WIENER SARGFABRIK / DAS ARNOLD SCHÖNBERG CENTER FINDET MOZART "IN" SCHÖNBERG


Da Mozart nun auch "ein großer Improvisator" gewesen sei, fährt die Wiener Sargfabrik mit einer Jazz-Reihe auf, die Mozart zum Basisthema hat. Den Auftakt macht Saxofonist Harry Sokal mit seinem österreich-schweizer Trio Depart. Groovig vital sollen die Interpretationen und Arrangements selbst in die Beine fahren!

"Wenn man sich ansieht, wie z.B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, dass ich das direkt von Mozart gelernt habe!", sagte Arnold Schönberg 1949. Tradition und Neuheit - Wiener Klassik und Wiener Schule - Mozart und Schönberg sind daher nicht nur Kontraste, sondern Gegensätze, wo die Tradition die Neuheit bedingt. Und Mozart wird durch Schönberg zum Lehrer zukünftiger Generationen ... Wie Arnold Schönberg über die Wiener Klassik also zu dem wurde, was er heute ist - das ist Thema der Ausstellung im Arnold Schönberg Center.

MUSIKTHEATER Saray // Mozart alla turca * Regie: Ibrahim Quraishi * Musik: Serdar Yalcin * Mit: Serap Gögus (Constanze), Ali Murat Erengül (Belmonte), Martin Niedermair (Selim Bassa) * Ort: Schauspielhaus Wien * Zeit: bis 1.11.2006, 20h
JAZZ-ABEND Klangaspekt: ... inspired by W. Amadé * Mit: Depart (Harry-Sokal-Trio) * Ort: Sargfabrik * Zeit: 28.9.´06, 20h
AUSSTELLUNG Mozart und Schönberg / Wiener Klassik und Wiener Schule * Ort: Arnold Schönberg Center, Schwarzenbergplatz 6 * Zeit: bis 27.1.´07, Mo-Fr, 10-17h

Friday, September 08, 2006

VON GESCHICHTS-REFLEXION ZU NACHBAR-INTEGRATION


Photo: Erich Lessing (seine Reportagefotografien sind im Leopold Museum ausgestellt) knipste eine Fahne, aus der ungarische Revolutionäre das Stalin-Wappen ausgeschnitten hatten. - Die Geschichts-Ausstellung im Wien Museum Karlsplatz zeigt die menschlichen Hoch- und Abgründe des Flüchtlingsphänomens.


NAZIZEIT IM VOLKSTHEATER, UNGARISCHES REVOLUTIONSJAHR ´56 IM LEOPOLD- UND WIEN-MUSEUM, "SLOWENIEN" IM VOLKS- THEATER SOWIE IM KUNSTHISTORISCHEN MUSEUM


Wenn stadt-staatlich subventionierte Häuser Themen wie Geschichtsaufarbeitung und Ost-Integration - geradezu inflationär - behandeln, mag sich der Betrachter fragen, ob die eigentliche Initiative dafür wohl vom Geldgeber oder tatsächlich von unabhängigen Kulturmachern kommt. - Wie auch immer: das Kulturgut ist da, und manchmal ist es auch sehr interessant, sich darauf einzulassen, selbst wenn es politisch richtungsweisend und tendenziös anmutet.

NAZIZEIT IM VOLKSTHEATER


Einen kongenialen Einfall hatte Direktor Michael Schottenberg bezüglich des letzte Saison in die Schlagzeilen geratenen "Führerzimmers" in seinem Volkstheater. Er hatte es ja damals umbauen lassen, worauf ihn der staatliche Denkmalschutz aufforderte, es wieder herstellen zu lassen. Nun beauftragte er Architekturtheoretiker Jan Tabor dazu - der danach brüsk lamentierte, während er über die tatsächliche Schwierigkeit der Definition von Nazibauwerken philosophierte: "Ich bedaure sehr, dass diese Architektur nun weg ist. Ich fand sie als Bühnenbild genial." Das zum Ausstellungsraum umfunktionierte Original-Führerzimmer heißt jetzt "Empfangsraum", wo künftig bei nur 25 Zuschauerplätzen Autorenlesungen, kleine Stücke, szenische Lesungen, Installationen, Diskussionsreihen, Vorträge und Ausstellungen stattfinden werden. Den Auftakt macht am 5.10., nach der Vernissage, die schwarze Farce unter der Regie von Katrin Hiller: Fräulein Braun von Ulrich Hub. Des Führers Geliebte plaudert darin aus dem intimsten Nähkästchen. Zu ihr gesellt sich ein deutscher Schäferhund...

VERNISSAGE Das Führerzimmer. Ein Wiener Denkmal. Eine kleine Erinnerungsschau. * Konzept: Jan Tabor. * Ort: Volkstheater/Empfangsraum * Zeit: 5.10., 17h30 - Eintritt frei, Zählkarten an der Abendkassa * danach laufende Ausstellung vor Vorstellungsbeginn
PREMIERE
Fräulein Braun * Regie: Katrin Hiller * Mit: Ivanka Brekalo, Raphael van Bargen * Ort: Volkstheater/ Empfangsraum * Zeit: 5.10., 19h30 * weitere Vorstellungen: 7., 8., 19., 28.10.´06


NACHBARSCHAFTPFLEGE I: UNGARN
REVOLUTIONSJAHR ´56 IM LEOPOLD- UND WIEN-MUSEUM

Ergreifende Elemente enthält die aufschlußreiche Ausstellung im Wien Museum Flucht nach Wien, Ungarn 1956. Während Österreich gerade mit dem Staatsvertrag seine Unabhängigkeit feierte, kämpften ungarische Revolutionäre unter dem stalinistischen Regime unerschütterlich um Freiheit und Demokratie. Mehr als 180.000 Menschen flohen in den Monaten, bevor Ungarn endgültig und umso abgeschirmter kommunistisch wurde, über die burgenländische Grenze, wovon letztendlich 18.000 in Wien blieben. Ausschlaggebend ist nun das emotionale Gefühl und Verhalten der Österreicher hinsichtlich der "Flüchtlinge": Kaufte sich ein Ungar über seinen Stand als Flüchtling hinaus eine Lederjacke am Graben, wurde aus Mitleid "Neid".Wollte er in Österreich denselben "höheren" Beruf ausüben, den er in Ungarn gelernt hatte, erwuchs aus der Hilfsbereitschaft "Arbeitsplatzrivalität"... (persönliche Anmerkung: Eine Parallele läßt sich jetzt sehr gut zu den Schwarzen in Wien ziehen - sie sind meist sehr geschmackvoll gekleidet und fahren hier Taxi, anstatt Arzt, Chemiker oder Betriebswirt zu sein.) Fotos aus dem Budapest-Revolutionsjahr 1956 kann man sich vollständigkeitshalber auch noch im Leopold Museum ansehen. Reportagefotograf Erich Lessing ist dort ausgestellt.

AUSSTELLUNG Flucht nach Wien, Ungarn 1956 * Kuratoren: Peter Eppel, Béla Rásky, Werner Michael Schwarz * Ort: Wien Museum Karlsplatz * Zeit: bis 26.11.´06
VERNISSAGE
Erich Lessing: Budapest 1956, Die ungarische Revolution * Kuratoren: Rudolf Leopold, Robert Holzbauer * Ort: Leopold Museum Wien * Zeit: 12.10., 19h, Ausstellung bis 13.01.´07


NACHBARSCHAFTSPFLEGE II: SLOWENIEN
SLOWENISCHE KULTUR FÜR ÖSTERREICH IM VOLKSTHEATER UND IM KHM


Während in Kärnten nach wie vor über die Beschriftung der Ortstafeln "gewitzelt" wird, bringt man den Wienern die slowenische Kultur näher: Im Weißen Salon/Volkstheater wird "Prosa-Literatur des slowenischen Nachbars" gelesen, im Kunsthistorischen Museum stellt Branko Suhy unter Initiative des Außenministeriums der Republik Slowenien und der slowenischen Botschaft in Wien seine Bilder zwischen "Manhatten und Srebrnica" aus.

LESUNG Schreiben am Tolmun * Es lesen: Petra Torky, Erwin Ebenbauer, Paul Matic * Ort: Weißer Salon /Volkstheater * Zeit: 28.9.´06, 19h45
AUSSTELLUNG
Branko Suhy / Manhattan in Srebrenica - Srebrenica in Manhattan * In Honor of the City of New York * Ort: Kunsthistorisches Museum * Zeit: bis 22.10.´06