Filmstill aus Dry Season (Daratt), wo ein Junge dem Mörder seines Vaters kaum verzeihen kann, deshalb die Waffe in seiner Hand (© Frank Verdier; sowie aus Hamaca Paraguaya, ein wortarmer, dafür bild- und rhythmusschöner Film über das lebenslange Warten. (© N.N.)
WIE SCHÖN WÄRE DOCH, WENN ALLE VÖLKER GLEICH VIEL WERT WÄREN, JEDER ÜBERLEBEN UND JEDER ARBEITEN KÖNNTE. UND ZWAR DAS, WAS IHN FREUT UND JEDER AUCH NOCH GENUG DAFÜR BEZAHLT BEKOMMT. - INTEGRATIONSFLUT IM GARTENBAUKINO, FILMMUSEUM, KÜNSTLERHAUS UND KUNSTHAUS WIEN
Das Wiener Filmfestival Viennale hat es bereits in der Dokumentarfilmschiene eingeleitet: Das besondere Interesse von Künstlern und Filmemachern an Befindlichkeiten (kultureller) Minderheiten in schwierigem Lebensumfeld, sei es im Verhältnis von Chinesen zu Nordkoreanern, von Alt- zu Neuchinesen, sowie an der Gefühlslage kriegserschreckter Russen oder von Bürgern in faschistischen Staaten Afrikas. Wird sich der westliche Zuschauer bei solchen Filmen bewußt, "anderen geht es also noch schlechter als mir" - ja, denn auch Westeuropäern geht es nicht nur wahnsinnig gut - so wird dieses Gefühl in Filmen mit Alltagsschilderungen von Behinderten oder von Gefangenen im Gefängnis noch gesteigert, besonders wenn die Inhaftierten selbst filmen. - Auch das Künstlerhaus zeigte erst im Oktober die Ausstellung Frauenkunst unter Strafe, wo Insassinnen zu Künstlern wurden. Ob das Endprodukt allerdings immer Kunst ist, bleibt die große Frage ...
INFLATIONÄRES ETHNOTHEMA
Fast hat man schon ein schlechtes Gewissen, wenn man nie gestohlen und gemordet hat, weiß, gesund, menschenfreundlich und gut ausgebildet ist, aber dennoch nicht weiter kommt auf dieser Welt. Und man denkt sich sogar: "die" wissen wenigstens, "warum" sie nicht weiter kommen. Das Selbstmitleid kennt hier also keine Grenzen.
Nichtsdestotrotz: vom Schicksal dieser Anderen zu erfahren, weitet den Horizont und stärkt das prinzipielle Gefühl von Solidarität. Selbst wenn jene Menschen, die sich Filme und Kunst von und über Ausgegrenzte oder Unterdrückte ansehen, ohnehin immer schon deren Freunde waren. - Man kann daher nur hoffen, dass der Ausländerhasser ein opportunistischer Wendehals sein möge, der sich durch diese "Mode" an inflationären Integrationsfilmen umstimmen läßt.
ETHNO: IM POESIE-MANTEL ZUR KUNST
Dem New-Crowned-Hope-Festival scheint im Zugang zu diesem Thema nun aber etwas gelungen zu sein, was sich auch formal sehr stark nach "Kunst" anhört, was sich wiederum auf den Inhalt auszuwirken scheint. Das war das Resultat, nachdem sich sieben Filmemacher aus Asien, Arabien, Afrika und Lateinamerika von Mozarts Themen "Zauber und Verwandlung", "Vergebung und Versöhnung" sowie "Achtung vor den Toten" inspirieren lassen mußten. Oftmals lösten sie das, indem sie aus ihrer eigen traditionellen Ausdrucksform schöpften - wie etwa Garin Nugroho in Opera Jawa (der Film, der Peter Sellars am meisten berührt, da er mit traditionellem, indonesischem Marionettentheater arbeitet) -, oder durch magische Bildsprache oder rhythmische Erzählweise. Und besonders motivierend wirkt sich das auf märchen- und mythenhafte Motive aus, indem etwa wie in Dry Season ein junger Mann dem Kriegsmörder seines Vaters verzeihen soll - ein Steckenpferd Mozarts, wo der böse Machthaber oft ganz plötzlich und ohne konkreten Grund verzeiht.
Diese sieben Filme wurden jedenfalls so schön, dass sie international eingeschlagen sind und bereis drei Preise gewonnen haben: Half Moon des international gefeierten, kurdisch-iranischen Regisseurs, Bahman Ghobadi, gewann die Goldene Muschel San Sebastian. Paraguayan Hammock, mit dem Thema des ewigen Wartens, der jungen Paz Encina gewann in Cannes. Und Dry Season von Mahamat-Saleh Haroun holte sich den Spezialpreis Jury Filmfestspiele Venedig.
ETHNO-VIELFALTS-MITEINANDER IN KÜNSTLERHAUS, FILMMUSEUM, ARCHITEKTUR UND ESSEN
Dazu schwingt in gleichem gesellschaftspolitischen Atem das Rahmenprogramm im Filmmuseum, Notre musique, mit vierzig internationalen Spiel- und Dokumentarfilmen der letzten sechs Jahre: sie alle tragen das Potential der "Veränderung".
In der New Crowned-Hope-Kunstschiene Green Flame im Künstlerhaus und im Kunsthaus project space lädt die äthiopische Kuratorin Meskerem Assegued Künstler aus aller Welt zur unvorhersehbaren Begegnung ein: Es muß nur jeder, so wie auch jeder Besucher, die Schuhe ausziehen. (Auch Mozartjahr-Intendant Peter Marboe, der bei der Programmpräsentation neben der Kulturanthropologin saß, was als Vorstellung doch recht erheiternd war.)
Das Architektur-Programm hat unter dem Motto "Willkommen Flüchtlinge" zwei paradiesische Flüchtlingsheime an Projekten entworfen. Und das Künstlerhaus ist Festivalzentrum, mit vielen Spezialveranstaltungen: wie einer Konzertreihe mit AsylwerberInnen in Wien. Schließlich lernt man noch in einer Essensschule, dass auch die Vielfalt von Tomaten in einer Region am gesündesten ist - und zwar für Natur und Mensch -, genauso wie die Vielfalt von Kultur und Völkern.
Das Wiener Filmfestival Viennale hat es bereits in der Dokumentarfilmschiene eingeleitet: Das besondere Interesse von Künstlern und Filmemachern an Befindlichkeiten (kultureller) Minderheiten in schwierigem Lebensumfeld, sei es im Verhältnis von Chinesen zu Nordkoreanern, von Alt- zu Neuchinesen, sowie an der Gefühlslage kriegserschreckter Russen oder von Bürgern in faschistischen Staaten Afrikas. Wird sich der westliche Zuschauer bei solchen Filmen bewußt, "anderen geht es also noch schlechter als mir" - ja, denn auch Westeuropäern geht es nicht nur wahnsinnig gut - so wird dieses Gefühl in Filmen mit Alltagsschilderungen von Behinderten oder von Gefangenen im Gefängnis noch gesteigert, besonders wenn die Inhaftierten selbst filmen. - Auch das Künstlerhaus zeigte erst im Oktober die Ausstellung Frauenkunst unter Strafe, wo Insassinnen zu Künstlern wurden. Ob das Endprodukt allerdings immer Kunst ist, bleibt die große Frage ...
INFLATIONÄRES ETHNOTHEMA
Fast hat man schon ein schlechtes Gewissen, wenn man nie gestohlen und gemordet hat, weiß, gesund, menschenfreundlich und gut ausgebildet ist, aber dennoch nicht weiter kommt auf dieser Welt. Und man denkt sich sogar: "die" wissen wenigstens, "warum" sie nicht weiter kommen. Das Selbstmitleid kennt hier also keine Grenzen.
Nichtsdestotrotz: vom Schicksal dieser Anderen zu erfahren, weitet den Horizont und stärkt das prinzipielle Gefühl von Solidarität. Selbst wenn jene Menschen, die sich Filme und Kunst von und über Ausgegrenzte oder Unterdrückte ansehen, ohnehin immer schon deren Freunde waren. - Man kann daher nur hoffen, dass der Ausländerhasser ein opportunistischer Wendehals sein möge, der sich durch diese "Mode" an inflationären Integrationsfilmen umstimmen läßt.
ETHNO: IM POESIE-MANTEL ZUR KUNST
Dem New-Crowned-Hope-Festival scheint im Zugang zu diesem Thema nun aber etwas gelungen zu sein, was sich auch formal sehr stark nach "Kunst" anhört, was sich wiederum auf den Inhalt auszuwirken scheint. Das war das Resultat, nachdem sich sieben Filmemacher aus Asien, Arabien, Afrika und Lateinamerika von Mozarts Themen "Zauber und Verwandlung", "Vergebung und Versöhnung" sowie "Achtung vor den Toten" inspirieren lassen mußten. Oftmals lösten sie das, indem sie aus ihrer eigen traditionellen Ausdrucksform schöpften - wie etwa Garin Nugroho in Opera Jawa (der Film, der Peter Sellars am meisten berührt, da er mit traditionellem, indonesischem Marionettentheater arbeitet) -, oder durch magische Bildsprache oder rhythmische Erzählweise. Und besonders motivierend wirkt sich das auf märchen- und mythenhafte Motive aus, indem etwa wie in Dry Season ein junger Mann dem Kriegsmörder seines Vaters verzeihen soll - ein Steckenpferd Mozarts, wo der böse Machthaber oft ganz plötzlich und ohne konkreten Grund verzeiht.
Diese sieben Filme wurden jedenfalls so schön, dass sie international eingeschlagen sind und bereis drei Preise gewonnen haben: Half Moon des international gefeierten, kurdisch-iranischen Regisseurs, Bahman Ghobadi, gewann die Goldene Muschel San Sebastian. Paraguayan Hammock, mit dem Thema des ewigen Wartens, der jungen Paz Encina gewann in Cannes. Und Dry Season von Mahamat-Saleh Haroun holte sich den Spezialpreis Jury Filmfestspiele Venedig.
ETHNO-VIELFALTS-MITEINANDER IN KÜNSTLERHAUS, FILMMUSEUM, ARCHITEKTUR UND ESSEN
Dazu schwingt in gleichem gesellschaftspolitischen Atem das Rahmenprogramm im Filmmuseum, Notre musique, mit vierzig internationalen Spiel- und Dokumentarfilmen der letzten sechs Jahre: sie alle tragen das Potential der "Veränderung".
In der New Crowned-Hope-Kunstschiene Green Flame im Künstlerhaus und im Kunsthaus project space lädt die äthiopische Kuratorin Meskerem Assegued Künstler aus aller Welt zur unvorhersehbaren Begegnung ein: Es muß nur jeder, so wie auch jeder Besucher, die Schuhe ausziehen. (Auch Mozartjahr-Intendant Peter Marboe, der bei der Programmpräsentation neben der Kulturanthropologin saß, was als Vorstellung doch recht erheiternd war.)
Das Architektur-Programm hat unter dem Motto "Willkommen Flüchtlinge" zwei paradiesische Flüchtlingsheime an Projekten entworfen. Und das Künstlerhaus ist Festivalzentrum, mit vielen Spezialveranstaltungen: wie einer Konzertreihe mit AsylwerberInnen in Wien. Schließlich lernt man noch in einer Essensschule, dass auch die Vielfalt von Tomaten in einer Region am gesündesten ist - und zwar für Natur und Mensch -, genauso wie die Vielfalt von Kultur und Völkern.
FESTIVAL: New Crowned Hope 14.11.-13.12.06, www.newcrownedhope.org * Künstlerischer Leiter: Peter Sellars
- FILMPREMIEREN täglich von 17.11.-22.11., ab 20h * Ort: Gartenbaukino (Wiederholung, 27.-30.11. im Filmmuseum)
- AUSSTELLUNG: Green Flame * Kuratorin: Meskerem Assegued * Ort: Kunsthaus project space + Künstlerhaus Wien * Zeit: 17.11.-13.12 * Eintritt frei
FILM: Notre Musique * Eine Filmgeschichte der Gegenwart * Ort: Filmmuseum * Zeit: 1.-30.11.06;
genaues Progamm und Daten über www.filmmuseum.at
- FILMPREMIEREN täglich von 17.11.-22.11., ab 20h * Ort: Gartenbaukino (Wiederholung, 27.-30.11. im Filmmuseum)
- AUSSTELLUNG: Green Flame * Kuratorin: Meskerem Assegued * Ort: Kunsthaus project space + Künstlerhaus Wien * Zeit: 17.11.-13.12 * Eintritt frei
FILM: Notre Musique * Eine Filmgeschichte der Gegenwart * Ort: Filmmuseum * Zeit: 1.-30.11.06;
genaues Progamm und Daten über www.filmmuseum.at
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