Wednesday, October 18, 2006

DIE ÜBERMALUNG - DIE KUNST DES KOMMUNIKATIONSZEITALTERS




2 Bilder oben: Ähnlichkeiten: Asger Jorns Grand baiser du cardinal d´Amerique, 1962 (dt: Großer Kuß des Kardinals von Amerika), Sammlung Pierre Alechinsky, Bougival (© Donation Jorn, Silkeborg/VBK, Wien 2006) und Arnulf Rainers Plakat für seine Ausstellung im Festspielhaus Bregenz, 18. Mai – 25. Juni 1989, Enzyklopädie und Revolution,(© MAK/Georg Mayer)
Rundes Bild: Jorns Übermalung kann auch zum unheimlichen Tier werden, wie in Poussin, 1962 (dt: Küken), Sammlung Pierre Alechinsky, Bougival, (© Donation Jorn, Silkeborg/VBK)
2 Bilder unten: Der Tod als Thema, unterschiedlich gelöst: Rainers totenmasken, Plakatentwurf, (MAK-Sammlung, © MAK/Georg Mayer) und Jorns abstraktes Wiedersehen am Todesufer, 1958, Kunsthalle in Emden/ Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo ( © Donation Jorn, Silkeborg/VBK, Wien 2006)


VIEL GEMEINSAM UND DOCH GANZ VERSCHIEDEN: ARNULF RAINER IM WIENER MAK / ASGER JORN IN DER BAWAG FOUNDATION, WIEN

Warum der im MAK mit seinen Plakatentwürfen ausgestellte Arnulf Rainer (geb. 1929 in Baden/Wien) ein so bedeutender Künstler ist: Auf der ganzen Welt, in jeder Kunst- und Ausdruckssparte, findet sich seine Herangehensweise, Kunst (Vergangenes) zu "übermalen", wieder. Denn immer und überall gilt es, an der Geschichte anzuknüpfen, sie neu zu interpretieren, um die Kontinuität des Weltlaufs ohne Lücken weiter zu treiben (selbst wenn die "Anfänge der Welt" letztendlich lediglich Wissenschafter mit selektivem Blick niederschrieben und niederschreiben, indem sie nach "Sammler"-Regel an früheren Behauptungen anknüpfen).

Scheinbar widersprüchlich war Rainer ab 1953 der Erste, der es öffentlich wagte, historisch Zelebriertes durch "Übermalung" zu "zerstören". Durch die Auslöschung bzw. Kommentierung der Kunst wurde er allerdings zum (oben beschriebenen) Wissenschafter, vielleicht auch zu einem "Journalisten", der, wenn ihn etwas interessiert, mit größter Einfühlsamkeit und treffendsten Worten denkt und be-"schreibt", und wenn es ihn langweilt oder ärgert, den PR-Text übernimmt oder etwas (bewußt) Oberflächliches dahinschludert. Selbstverständlich ist bei Rainer meist erstere Interessenslage gegeben, da er sich seine Themen (in der Regel) aussuchen kann. - Insgesamt ist Rainers Konzept der Übermalung aber zweifellos ein Synonym für "die" Kunst des kommunikativen Zeitalters.

KOMMUNIKATOREN ATTACKIEREN UND BESTIMMEN

Heute sind es daher die "Sprachbegabten", die die Kunstentwicklung bestimmen, die aber gleichzeitig den Medienbetrieb, den sie im Grunde mit dem Kunstbetrieb gleichsetzen, verurteilen (manchmal auch zu unrecht, da schlicht voreingenommen). So wie auch der am 3. März 1914 in Jütland/Dänemark geborene (gest. 1972) und derzeit in der Bawag-Foundation ausgestellte Asger Jorn. Der Künstler mit nahezu dichterischen Fähigkeiten und in Netzwerke eingebunden, indem er sie als Gruppenorganisator (COBRA), Zeitschriftengründer, Propagandist und Theoretiker gründete, konnte es sich 1964 - eben wegen dieser Kommunikations-Netzwerke - leisten, den hoch dotierten Guggenheim-Preis zu verweigern. Jorn: "Geh zum Teufel mit deinem Geld, du Scheißkerl. ...wider jeden Anstand einen Künstler gegen seinen Willen in deine Werbung verwickeln..." Rainer dagegen, ist weniger Geldverweigerer, als viel mehr Politankläger, indem er sich etwa bei Bürgermeister Häupl "bedankt", dass er das Essl-Museum im Wiener Museumsquartier verhindert hat.

Nichtdestotrotz sind diese beiden Künstler - trotz mancher Parallelen - eigenständig. Schon da Rainer bis heute übermalt, Jorn dies nur zwischen 1957-62 aus situationsbedingtem Anlaß mit den Défigurations getan hat. Einerseits, um Kitsch zu zerstören und alte Gemälde - die Jorn auf Flohmärkten gekauft hatte - zu verbessern, viel mehr aber noch, um sich selbst zu zerstören und sich wieder und wieder zu verändern - für ihn die Grundlage von Kunst, wonach er auch lebte: seine Werke strotzen vor Vielfalt und erhalten beinahe zur Gänze, erst beim zweiten Blick und mit Verbindung zum Titel, ihren subtil-expressiven Reiz. (e.o.)
mehr zu Arnulf Rainer: über www.intimacy-art.com / artists / talks / life
bzw. www.intimacy-art.com / aKtuell / metanews / gossip


AUSSTELLUNG: Rainer, sonst keiner! Überschriftungen - Künstler im Fokus //1 Arnulf Rainer, neue Künstler-Ausstellungsserie der MAK-Sammlung für Gegenwartskunst * Originalentwürfe von Arnulf Rainers Plakaten in noch nie gezeigtem Umfang * Konzept: Peter Noever * Kurator: Rüdiger Andorfer * Ort: MAK-Schausammlung Gegenwartskunst * Zeit: bis 4.3.2007

AUSSTELLUNG: Asger Jorn: Central Figure, Ausgewählte Arbeiten 1939-1972 * Kurator: Erik Steffensen * Ort: Bawag Foundation, Wien * Zeit: bis 3.12.2006

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